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Digitale Biosensoren für die personalisierte Medizin

INB-Forscherin Dr. Denise Molinnus entwickelt neuartige Biosensor-Technologie

Null oder Eins – das digitale Prinzip hat in vielen Lebensbereichen zu einer Beschleunigung geführt. In der Welt der Biosensoren arbeitet man bislang vorrangig mit analogen, quantifizierenden Methoden, die sich nur schwer in automatisierte Prozesse einbinden lassen. In ihrer Doktorarbeit hat Denise Molinnus vom Institut für Nano- und Biotechnologien der FH Aachen (INB) jetzt erstmals digitale Biosensoren entwickelt, die auf der Basis biomolekularer Logikgatter funktionieren. Die neue Technologie soll ihren Einsatz vor allem in der personalisierten Medizin finden.

Die Doktorarbeit trägt den Titel "Integration of biomolecular logic principles with electronic transducers on a chip" und wurde mit Auszeichnung "summa cum laude" bewertet. Dr. Molinnus erklärt das Prinzip anhand eines Anwendungsbeispiels für digitale Biosensoren, die zur Unterstützung bei der Detektion von Nebennierentumoren eingesetzt werden können: "Bei der Untersuchung wird ein Katheter in die Nebenniere eingeführt. Das Problem ist, dass während der Untersuchung nicht unmittelbar festgestellt werden kann, ob der Katheter auch wirklich an der richtigen Stelle angekommen ist." Das aber sei entscheidend, weil nur anhand des Nebennierenbluts festgestellt werden könne, ob ein solcher Tumor vorliegt. Bei ihren Untersuchungen hat sie sich eine weitere Eigenheit des Nebennierenbluts zunutze gemacht. Dessen Adrenalinkonzentration liegt etwa um ein Hundertfaches über der Konzentration in benachbarten Blutgefäßen. Durch das Recyceln von Adrenalin während der Messung wird ein Kreislauf in Gang gesetzt, der wie ein Verstärker wirkt. Auf diese Weise kann Adrenalin auch im nanomolaren Konzentrationsbereich nachgewiesen werden.

Der am INB entwickelte Sensor greift hier auf eine Kombination aus zwei logischen AND-Gattern zurück, sodass mit Hilfe dieses digitalen Adrenalinsensors der Arzt eine schnelle Ja/Nein-Antwort über die Position des Katheters bekommt. "Bei diesem Schlüsselexperiment habe ich eng mit Prof. Dr. Holger S. Willenberg von der Uni Rostock zusammengearbeitet. Er ist einer der weltweit führenden Endokrinologen, ohne seine medizinische Expertise wäre die Umsetzung der Experimente während meiner Promotion kaum möglich gewesen", erläutert die zielstrebige Nachwuchswissenschaftlerin, die aus dem Saarland an den Campus Jülich der FH Aachen gekommen ist.

Einen zweiten Baustein ihrer Promotion stellt der "BioLogicChip“ dar. Dr. Molinnus erklärt: "Wir bringen eine Blutprobe auf einen Enzymsensor auf und erfassen, ob sowohl Sauerstoff als auch Glukose in der Probe vorliegen. Ist beides vorhanden, resultiert daraus letztendlich ein Stromfluss, der im nächsten Schritt ein Hydrogel als Aktuator kollabieren lässt." Dadurch lasse sich Insulin aus einem Reservoir freisetzen. Die Menge des freigesetzten Insulins wird mit einem weiteren (Bio-)Sensor überwacht, um so die benötigte Dosis einzuregeln. "Automatisierte Sensoren, die auf einem solchen Closed-loop-drug-release-System basieren, gibt es bislang in dieser Form nicht", sagt die 31-jährige Wissenschaftlerin, "wir haben gezeigt, dass das Prinzip funktioniert." Bis zu einer Umsetzung im Alltag – etwa auf einem Chip, der einem Diabetespatienten eingesetzt wird und der bei Bedarf automatisch Insulin abgibt – werde aber noch Zeit ins Land gehen.

Für Institutsleiter Prof. Dr. Michael J. Schöning, der die junge Wissenschaftlerin betreut hat, liegt der Vorteil der neuen Technologie vor allem darin, dass digitale Biosensorik maßgeschneidert und individualisiert an den Patienten angepasst werden kann. Darüber hinaus könnten in ferner Zukunft solche Biosensor-Aktuator-Systeme selbstständig Krankheitszustände erkennen und im Idealfall entsprechende Therapievorschläge umsetzen.

Digitale Biosensoren können aber nicht nur in der Medizin eingesetzt werden. "Mit unseren Sensoren können wir auch die Acetoin-Konzentration messen", sagt Dr. Molinnus. Acetoin ist ein wichtiger Bestandteil bei vielen Fermentationsprozessen und mithin auch in Wein und Bier zu finden. Somit kann mit Hilfe der Detektion von Acetoin zum Einen ein Überflussmetabolismus verhindert werden, zum Anderen kann aber auch die Qualität von Bier und Wein einfacher und schneller kontrolliert werden. Mit einem Feldeffektsensor konnte die Wissenschaftlerin des INB Veränderungen des Acetoingehaltes erfassen. Zum Einsatz kommt dabei ein Enzym, das von Prof. Dr. Petra Siegert, Prof. Dr. Thorsten Selmer und Prof. Dr. Johannes Bongaerts am INB entwickelt worden ist. "Wir sind besonders stolz auf die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit an unserem Institut", betont Prof. Schöning. Neben grundlegenden Studien gelang es der jungen Wissenschaftlerin erstmalig, auch in "beimpften" Weinproben Acetoin nachzuweisen – eine analytische Herausforderung, wenn man die Vielzahl von Substanzen, die im Wein vorhanden sind, berücksichtigt. Zukünftig könnte das Verfahren weiterentwickelt werden, um solche Herstellungsprozesse auch in Echtzeit zu überwachen.

Neben der guten Betreuung durch Prof. Schöning und Prof. Dr. Arshak Poghossian spielt für die Forschungsarbeit von Denise Molinnus aber auch ein weiterer Schwerpunkt des INB eine wichtige Rolle – die Kooperation mit renommierten Forschungseinrichtungen weltweit, wie etwa Prof. Dr. Joseph Wang (University California San Diego) und Prof. Dr. Evgeny Katz (Clarkson University). Die Promotionsarbeit von Dr. Molinnus wurde erst möglich durch das Promotionsstipendium der FH Aachen, sowie die kooperative Promotion mit der Universität Marburg und dem dortigen Betreuer Prof. Dr. Michael Keusgen.