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Zukunft gestalten

Auf der Diploma präsentieren Studierende des Fachbereichs Gestaltung ihre Abschlussarbeiten der Öffentlichkeit

Immer wenn ich die Diploma besuche, überrascht und begeistert sie mich aufs Neue und hinterlässt den heimlichen Wunsch, doch noch mal ein Studium zu beginnen. Zum vierten Mal betrete ich für die Ausstellung der Abschlussarbeiten das Backsteingebäude am Boxgraben 100. Der Campus des Fachbereichs Gestaltung wirkt an diesem Tag wie ein inspirierendes Eldorado der Kreativität. Getümmel aus Studierenden, stolzen Eltern, Lehrenden und Designinteressierten. Jeder Raum ist individuell gestaltet, hat eine eigene Atmosphäre, eine Sound- oder Lichtinszenierung und einen thematischen Schwerpunkt.

Fotografie

Im zweiten Stockwerk betrete ich die Ausstellungsräume der Fotografie. Ich treffe die Kommunikationsdesign-Absolventin Julie Ambrose. Mit ihrem inklusiven Fotoworkshop für Menschen mit und ohne Einschränkungen will sie vor allem Hemmschwellen und Vorurteile abbauen. "Nach wenigen Minuten waren wir eine tolle, kreative Gruppe. Wir konnten uns ungeachtet aller äußeren Umstände mit Fotografie auseinandersetzen und gegenseitig bereichern", erklärt Julie.

Neben ihr präsentiert Alexandra Mattern die Ergebnisse ihrer Untersuchung zum Stichwort: Sicherheitslücken. "Es geht um Angsträume, also dunkle Ecken, unklare Situationen, unüberschaubare Wege im öffentlichen urbanen Raum", erklärt Alexandra. Sie hat Menschen um Bildmaterial gebeten, das bei ihnen Unsicherheit und Unwohlsein erzeugt. Dieses Material hat sie mit eigenen Fotografien ergänzt und konkrete Situationen mit Plakaten illustriert.

Produktdesign

Beeindruckt von der Vielfalt der Ausgestaltung muss ich mich erst einmal setzen und treffe dafür Kilian Beckers und Theresa Wagner aus dem Studiengang Produktdesign. Ihre Konzepte für Sitzgelegenheiten sind grundverschieden – aber beide bequem und lösungsorientiert. Chrom-Silber glänzt er mir entgegen und ich darf direkt probesitzen. Kilians Freischwinger ist nicht bloß die eintausenderste Version des Bauhausklassikers, sondern ein Stuhl mit einer klaren Aussage: Manspreading (das Sitzen mit unnötig weit gespreizten Beinen) ist nicht erwünscht. Der Stuhl hält die Beine zusammen, ohne dabei einzuengen. "In meiner Arbeit habe ich die maskuline und feminine Wirkung von Möbeln untersucht und Gegenentwürfe erstellt", erklärt Kilian.

Nebenan führt mir Theresa ihren ZoomaSit vor, eine Liege zum Powernappen. Wenn sie die filzverkleidete Holz-Konstruktion am Kopfende herunterklappt, wird die Liege zu einem abgedunkelten und schallisolierten Ruheraum. "Für die Mittagspause ist das ein perfekter Rückzugsort", erklärt sie.

Kommunikationsdesign

Ausgeschlafen geht es nun also wieder weiter Richtung Kommunikationsdesign. Was heißt das eigentlich? "Kommunikationsdesigner:innen haben die Möglichkeit und die Aufgabe, jeden Tag aufs Neue eine Vorstellung von Gegenwart und Zukunft zu entwickeln", erklärt Prof. Lorenz Gaiser, Dekan des Fachbereichs Gestaltung. Dazu gehöre zum Beispiel die Fotografie, die wir uns schon angesehen haben, aber auch Bewegtbild, Augmented und Virtual Reality, Typografie, Werbung, Grafik und Corporate Design.

Wie vielfältig dieser Bereich sein kann, zeigt mir Lea Roß. In ihrer Arbeit untersucht sie queere Räume – sowohl die der 1920er-Jahre in Paris und Berlin als auch die digital vernetzten Räume der 2020er-Jahre und kreiert dafür ein "Editorial im Raum". Übertragbar in bereits existierende Räume, erstellt sie dafür Bilder, Broschüren, Plakate, Info- und Visitenkarten bis hin zu Klebeband. "Die Arbeit soll nicht nur betrachtet, sondern im besten Fall räumlich erfahren werden", erklärt Lea.

Viele weitere Abschlussarbeiten

Und dann ist da noch Robert Overkamp mit einer Software für intuitive und zielgerichtete Werbe- und Plakatgestaltung für das Hochschulradio Aachen – "damit kann jeder zum Gestaltenden werden", Neve Smith mit einem Corporate-Design-Konzept für York, 35 Selbstportraits der Musikerin und Kommunikationsdesign-Absolventin Oxy*Moron aka Sarah Marie Massarczyk, ein modulares Regalsystem aus Tonplatten, eine Studie über Pilze, eine Auseinandersetzung mit Vibratoren, ein multisensorisches Parfüm-Store-Konzept … vielleicht lag ich doch zu lange im ZoomaSit.

Mit diesem wohlgesättigten Gefühl, nur ein Bruchteil gesehen zu haben, aber noch lange davon zehren zu können, verlasse ich den Boxgraben wieder. Auch wenn ich wohl kein Studium mehr beginnen werde – die Diploma werde ich immer wieder besuchen kommen.

Weitere Einblicke in die Abschlussarbeiten bietet die ausführliche Werkschau des Fachbereichs.