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Design meets Social Impact – Wie wir voneinander lernen

Studierende des Fachbereichs Gestaltung konzipieren in einem „Social Design Sprint“ kostengünstige, modulare und raumeffiziente Möbel und produzieren eine Videoanleitung zum Selbstbau. Basierend auf einer Challenge aus Südafrika soll das Projekt den Gedanken der sozialen Nachhaltigkeit stärken und neue Blickwinkel eröffnen.

Was bedeutet es, nur auf geringe Ressourcen zurückzugreifen? Wie kann ein Raum möglichst effizient eingerichtet werden? Welche Designaspekte sind relevant, welche nicht? Wie kann in wenigen Schritten eine verständliche, möglichst barrierefreie Anleitung entstehen? Was braucht es, um Menschen zu befähigen Do-It-Yourself-Möbel zu bauen? Dies sind zentrale Fragestellungen des Social Design Sprint, der jungen Design-Studierenden neue Wege im Produktdesign eröffnet.

Perspektivwechsel

Im viertägigen Workshop wird ein Perspektivwechsel geschaffen; die Herausforderungen von Menschen in informellen Siedlungen von Kapstadt sowie deren Know-how und Einblicke sind ein wichtiger Rahmen für die Teilnehmenden. Voneinander zu lernen ist das Stichwort: Der Austausch mit dem Kooperationspartner Siyanda Sopangisa ist ein wesentlicher Teil des Sprints. Siyanda wohnt gemeinsam mit seiner Familie in Khayelitsha. In dem bevölkerungsreichen südafrikanischen Township leben viele Menschen in Wellblechhütten, auf sehr wenig Platz und mit nur rudimentärer Infrastruktur. Möbel sind teuer und es gibt kaum Selbstbauanleitungen, die mit lokalen Materialien und Werkzeugen umsetzbar sind.

Ein "Shack" am Boxgraben

Auch im FH-Gebäude am Boxgraben steht eine Wellblechhütte. Vor ihr sitzen acht Studierende des Fachbereichs Gestaltung; über eine Videoleitung sind sie mit Siyanda verbunden. Sie diskutieren mit ihm darüber, welche Materialien und Möglichkeiten es vor Ort gibt und wie Möbel aussehen können, die bedarfsgerecht sind und auch mit wenig Ressourcen gebaut werden können. Der nachempfundene "Shack" hat eine Grundfläche von rund 14 Quadratmetern, er entspricht in seiner Bauart vielen Unterkünften in Khayelitsha – eine Hilfestellung, um die beschränkten räumlichen Rahmenbedingungen im Design-Prozess im Blick zu behalten.

Vier Tage lang entwickeln Lara, Emil, Leo, Moritz, Amelie, Vito, Gustav und Lukas in einem strukturierten Design Sprint, Möbelkonzepte, die kostengünstig, einfach nachbaubar und platzsparend sind. Angeleitet wird der Workshop durch die FH-Alumnis Marlene Lerch, Gründerin der gemeinnützigen Organisation Hack Your Shack (dooiy.org) und Rebecca Gros, Gründerin des Social Start-Ups impact konnection. Prof. Sönke Hoof, der das Projekt an die FH geholt hat unterstützt den Prozess inhaltlich und konstruktiv. Konkret wurden von den Studierenden verschiedene Ideen rund um das Regal erarbeitet. Ein Ansatz war, ein Stecksystem zu entwickeln, bei dem geschmolzene Plastikflaschen für eine stabile Verbindung der einzelnen Elemente sorgen, die dadurch vielseitig kombinierbar sind. Eine andere Idee war, Kleiderschranktüren aus Stoff so zu kreieren, dass sie auch als Raumteiler funktionieren und Privatsphäre schaffen können.

Das von Marlene Lerch angestoßene Projekt findet außerhalb des regulären Curriculums statt und soll die Perspektive der Studierenden erweitern. "90 Prozent der Designer:innen gestalten für die wohlhabendsten 10 Prozent der Weltbevölkerung“, zitiert Lerch den amerikanischen Gestalter Paul Polack. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Designer:innen die Herausforderungen von 90 Prozent der Weltbevölkerung kaum in den Blick nehmen.

Das Projekt will aber nicht nur sensibilisieren, Berührungspunkte schaffen und Austausch ermöglichen. "Wenn du weniger zur Verfügung hast, musst du kreativer arbeiten. Das ist ein wichtiges Learning für unsere Studierenden, das auch für den hiesigen Kontext extrem relevant ist", sagt Sönke Hoof. Denn die Verfügbarkeit von Ressourcen spiele bislang im Designprozess in der Regel eine untergeordnete Rolle.

Sozialer Mehrwert

Die Methode des innovativen Lehrformats heißt "Social Design Sprint". Als Design Sprint wird üblicherweise eine Vorgehensweise im Unternehmenskontext bezeichnet, bei der in sehr kurzer Zeit ein Team fokussiert und unter strikter Zeitvorgabe Prototypen entwickelt und testet. "Im Unterschied zu einem normalen Design Sprint haben wir die Methode für soziale Challenges weiterentwickelt. Damit vermitteln wir nicht nur innovative Wege um Herausforderungen effektiv zu bearbeiten, sondern schaffen im Prozess auch direkt einen sozialen Mehrwert", sagt Facilitatorin und Projektpartnerin Rebecca Gros. Mit der Einbindung von sozialen Aspekten im Design Sprint sollen so Herausforderungen eine Plattform bekommen, die einerseits durch die Erarbeitung eines Lösungsansatzes hilfreich für die Initiator:innen der Challenge sind, andererseits auch im eigenen Kontext zum Umdenken anregen.

Selbsterklärende Videoanleitungen

Und so wird in den Räumen des Fachbereichs Gestaltung nicht nur vier Tage lang gedacht, gehämmert und gesägt, die Studierenden erstellen auch Videoanleitungen, die möglichst selbsterklärend sind. Am letzten Tag werden diese mit Proband:innen getestet. Für Nachbau und Feedback sind unter anderem Zukisa Mayeza, Jamie-Leigh Isaacs und Ismail Johnson eingeladen, drei Grasroots-Aktivist:innen aus Kapstadt, die derzeit im Rahmen eines Austauschprogramms des Städtepartnerschaftsvereins Aachen-Kapstadt vor Ort sind. Wertvolles und direktes Feedback gibt es auch aus Khayelitsha, wo Siyanda Sopangisa mit Menschen aus seiner Community die Möbel nachbaut. Das Fazit: die entstandenen drei Prototypen sind relevant, verständlich, einfach und günstig umsetzbar. In Kürze werden die Videoanleitungen open source auf dooiy.org geteilt und können dann auch fürs deutsche WG-Zimmer genutzt werden. Zudem wurden die Ergebnisse bei dem jährlichen öffentlichen Rundgang des Fachbereichs Gestaltung am 18. Juli ausgestellt.