"Ich wollte den Dingen schon immer auf den Grund gehen", sagt Dr. Shahriar Dantism, "als Kind wollte ich Archäologe werden." Der Weg von dem Jungen, der mit einer kleinen Schaufel im Iran nach Relikten vergangener Zeiten suchte, hin zum erfolgreichen Wissenschaftler, der am Institut für Nano- und Biotechnologien (INB) in Jülich an neuester Sensortechnologie zur Untersuchung von Biogasprozessen forscht, war steinig. Aber die Arbeit hat sich gelohnt: Mit seiner Arbeit "Development of a differential LAPS-based monitoring system to evaluate the metabolic response of bacteria in biogas process analyses" hat der 39-Jährige jetzt an der KU Leuven promoviert, betreut wurde er seitens der FH von Prof. Dr. Michael J. Schöning und Prof. Dr. Torsten Wagner sowie durch Prof. Dr. Patrick Wagner von der KU Leuven.
Nach seiner Schulausbildung im Iran fasste Shahriar Dantism den Entschluss, für ein Studium nach Deutschland zu kommen. "Ich wollte die Welt sehen", erinnert er sich. Ein Teil seiner Familie lebte in den USA, aber ihn zog es ins Land der Dichter und Denker: "Die deutsche Sprache ist die Sprache der Philosophie." Er lernte Deutsch am Goethe-Institut in Teheran, 2003 schaffte er die Prüfungen und bekam die Zulassung für den Besuch eines Studienkollegs in Gießen. Auch dieses absolvierte er mit Bestnoten und nahm schließlich ein Elektrotechnikstudium an der RWTH Aachen auf. "Am Anfang war es schwer für mich", erinnert er sich. Er musste sich nicht nur in einem fremden Land zurechtfinden und seinen Lebensunterhalt bestreiten, auch seine Familie im Iran benötigte Unterstützung: "Meine Eltern sind krank geworden, ich musste immer wieder nach Hause fliegen, um mich um sie zu kümmern." Er wechselte schließlich den Studiengang und schrieb sich für Biomedizintechnik am Campus Jülich der FH Aachen ein. "Die Bachelorarbeit habe ich in Teheran am Krankenbett meiner Mutter geschrieben", erinnert er sich.
Shahriar Dantism bewältigte diese Herausforderungen, und sein Forschergeist war geweckt: In nur einem Jahr absolvierte er das Masterstudium – Abschlussnote 1,3 – und entschied sich anschließend zu promovieren. In Prof. Schöning, dem Direktor des INB, fand er einen Betreuer, mit dem er gemeinsam ein interessantes und zukunftsträchtiges Forschungsfeld identifizierte: die Überwachung von biochemischen Abläufen in der Biogasproduktion.
Simultanmessung von Stoffwechselprozessen
"Der Biogasprozess ist sehr komplex", erläutert Prof. Schöning. Dieser Prozess könne effizienter und sicherer gesteuert werden, wenn präzise Informationen zu den Abläufen innerhalb der Anlagen vorlägen. Konkret geht es um Mikroorganismen, die den Metabolismus – also den Stoffwechsel – des Substrats beeinflussen. Deshalb hat sich Shahriar Dantism mit der Realisierung einer Multi-Sensoranordnung beschäftigt, mit der er unterschiedliche Bakterien gleichzeitig studieren kann. "Ich habe drei verschiedene Bakterientypen als Modellsysteme untersucht", sagt Dr. Dantism, "die mittels des Sensorarrays eine Simultanmessung ermöglichen." Hierbei handelt es sich um die Bakterien Escherichia coli, Corynebacterium glutamicum und Lactobacillus brevis.
Konkret sieht der experimentelle Ansatz so aus, dass auf der Oberseite der Sensoranordnung ein Aufsatz mit vier Kammern angebracht ist. In drei der Kammern wird dem Substrat je eins der drei Bakterien zugegeben, in die vierte kommt nur das Substrat als Referenz. Auf der Unterseite des Chips wird durch Licht ein elektrisches Feld erzeugt – je nach Stoffwechselaktivität in den Kammern ändert sich dessen Stärke. "Dadurch können wir genau analysieren, welche Auswirkung die Zugabe von Mikroorganismen auf das Substrat hat", erklärt Prof. Schöning. Bei der Entwicklung der Versuchsanordnung konnte der Nachwuchswissenschaftler auf die 3-D-Drucktechnik am Campus Jülich zurückgreifen. Und auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit war wichtig: Die Kolleginnen und Kollegen vom Institut NOWUM-Energy ermöglichten den Zugang zu Proben aus ihrem Laborreaktor, mit dem unter anderem die Biogasgewinnung aus Altpapierresten erforscht wird. "Die Modellbakterien können dabei helfen, den sensorischen Ansatz zu justieren", so Dr. Dantism, "der nächste Schritt sieht dann den Einsatz im Biogasreaktor mit prozessrelevanten Mikroorganismen vor."
Bei Störungen schneller reagieren
Die Biogasproduktion gilt als ein wichtiger Baustein zur Energiewende. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts werden in Deutschland knapp 10.000 Biogasanlagen betrieben. Rund 18 Prozent der erzeugten Strommenge aus Erneuerbaren Energien entstand in Deutschland durch Biomasse. "Wenn wir die Prozesse innerhalb der Anlagen besser verstehen, können wir bei Störungen auch schneller reagieren", sagt Prof. Schöning. Wenn etwa eine große Biogasanlage "umkippe", müsse sie für bis zu drei Monate vom Netz genommen werden, und die Aufreinigung sei mit hohen Kosten verbunden.
Dr. Shariar Dantism ist dankbar für die Unterstützung, die er in seiner Zeit am INB erfahren hat. "Das Institut ist sehr gut vernetzt", berichtet er, er habe die Gelegenheit bekommen, seine Forschungsergebnisse in sechs Publikationen zu veröffentlichen und bei 14 Konferenzen mit Fachleuten aus dem In- und Ausland zu diskutieren. Die Promotionsprüfung wurde hybrid durchgeführt: Drei belgische Kolleginnen und Kollegen waren in Leuven zugegen, ein belgischer Kollege und drei deutsche Kollegen sowie der Kandidat waren live vor Ort in Jülich unter 2G+-Bedingungen dabei. "Ich bin glücklich und dankbar, dass ich an einer so renommierten Hochschule promovieren konnte", sagt der 39-Jährige. Es sei ein anstrengender Weg gewesen, "aber am Ende erntet man die Früchte."
Unterstützt wurde das Forschungsvorhaben von Dr. Dantism vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Projekt-Nr. 2200613).