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Das Haus der Ewigkeit als Spiegel jüdischen Lebens

FH Aachen | Arnd Gottschalk
“Bet Olam”, Haus der Ewigkeit – so wird in der hebräischen Sprache ein jüdischer Friedhof bezeichnet. Er ist damit nicht nur eine würdevolle Ruhestätte für die Verstorbenen, sondern auch ein Spiegel jüdischen Lebens; ein Ort, der gleichermaßen in die Vergangenheit und die Zukunft weist.
Vergangenheit und Zukunft
Seit 1822 gibt es an der Lütticher Straße im Aachener Westen einen jüdischen Friedhof, über 1600 Menschen haben auf dem historischen Friedhofsbereich ihre ewige Ruhe gefunden. Studierende und Lehrende des Lehrgebiets Geschichte und Theorie der Architektur der FH haben jetzt unter der Leitung von Prof. Dr. Anke Fissabre und mit der Unterstützung von Iris Gedig vom Familienbuch Euregio gemeinsam eine Ausstellung zur Vergangenheit und Zukunft des jüdischen Friedhofs in Aachen konzipiert und organisiert. Sie trägt den Titel “Bet Olam”; heute wurde sie eröffnet.
15 ausgesuchte Biografien aufbereitet
Insgesamt werden 25 Schautafeln biografische Geschichten sowie Informationen zum Friedhof, den Gräbern und der Architektur zeigen. In zwei Räumen des ehemaligen Verwalterhauses werden 15 ausgesuchte Biografien von Mitgliedern der Aachener Synagogengemeinde präsentiert, die anhand bislang wenig bekannter Archivalien neue Aspekte der Aachener Stadtgeschichte vermitteln. In weiteren Räumen zeigt die Ausstellung die neuesten Ergebnisse zur Entwicklung des Friedhofs und seiner Bauten. Die Bauphasen der Trauerhalle und des Wohnhauses des Friedhofswärters werden anschaulich durch 3-D-Modelle, historische Zeichnungen und neue Bauaufnahmen erläutert. Ziel der Ausstellung ist es, auf die wertvolle Bausubstanz des Friedhofs aufmerksam zu machen und Diskussionen zur zukünftigen Nutzung der Bauten anzustoßen.

FH Aachen | Arnd Gottschalk
Ein Ort des Weiterlebens
Aus London war Dr. John Francken zur Eröffnung der Ausstellung gekommen – die Tafel über seinen Urgroßvater Moritz Francken, einen Aachener Tuchfabrikanten, stellt eine der fünfzehn Familienbiografien dar. Er berichtete in bewegenden Worten, dass er auf dem Dachboden des Familienhauses in London 1370 Briefe seiner Großmutter und seiner Tante gefunden habe, die aus den 1930er- und 1940er-Jahren stammten. Er lernte Deutsch – und Sütterlinschrift – um sie lesen zu können. Diese Briefe seien nicht nur ein bedeutsames familiäres Erbe, sie lieferten auch wertvolle Rückschlüsse über das Leben in Aachen zu jener Zeit. Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen betonte, der jüdische Friedhof sei ein besonderes Erbe, das es zu bewahren und in die Zukunft zu tragen gelte. Er sei ein Ort der Stille und der Erinnerung, zugleich aber auch ein Ort des Weiterlebens – verborgen und zugleich offen, mitten in der Stadt.
Einzigartige Aussagekraft
Hervorgegangen ist die Ausstellung aus einer intensiven Forschungs- und Dokumentationsarbeit zu den Bauten und Grabmälern des jüdischen Friedhofs, gefördert durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW. Neben Anke Fissabre waren die Studierenden Steffen Eul, Mark Kiekhefer, Jan Philipp Risters und Cathrin Simon beteiligt. Neben seiner Bedeutung als Ort der Trauer von Hinterbliebenen besitzt der Friedhof eine einzigartige Aussagekraft durch seine authentischen Zeugnisse – seine Grabmäler, ihre dazugehörigen Biografien, Inschriften, zeittypischen Gestaltungsweisen und Traditionen. Über zwei Jahrhunderte bilden sie anschaulich das soziale, wirtschaftliche und kulturelle jüdische Leben der Stadt Aachen ab.
Vollständige Bestandsaufnahme
“Wir haben die handschriftlichen Aufzeichnungen des Friedhofswärters ausgewertet und eine vollständige Bestandsaufnahme gemacht”, sagt Steffen Eul. Die Grabsteine wurden georeferenziert und den Verstorbenen zugeordnet – entstanden ist eine Liste aller identifizierten Grabstätten sowie ein Lageplan des Friedhofs, auf dem die Position jedes Grabsteins wiedergegeben ist.

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Bauphasen werden nachvollziehbar
Anke Fissabre erläutert: “Die im Rahmen der Bauforschung auf dem jüdischen Friedhof in Aachen erzielten Ergebnisse zeigen, dass die verschiedenen baulichen Veränderungen und Bauphasen des ehemaligen Verwalterwohnhauses und der Trauerhalle noch erstaunlich gut ablesbar sind.” Die Bauten stellen wertvolle materielle Zeugnisse jüdischer Geschichte und Aachener Stadtgeschichte dar. Nun gehe es darum, eine neue, angemessene und zukunftsweisende Nutzung zu entwickeln.
Bis 4. September zu sehen
Im Jahr 2022 entstanden auf der Basis der Forschungsarbeit erste Ausstellungsentwürfe von Studierenden, im laufenden Sommersemester hatten die angehenden Architekt:innen die Aufgabe, die Präsentation zu konzipieren und umzusetzen. Die Ausstellung ist vom 3. Juli bis 4. September 2025, donnerstags und sonntags 15 bis 17 Uhr, zu sehen. Das Ausstellungsteam dankt der Jüdischen Gemeinde Aachen, der Stadt Aachen und den Sponsoren für ihre Unterstützung.

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