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Zwischen Hörsaal und Championat
Jedes Jahr im Sommer füllen sich die großen Stadien des CHIO in der Aachener Soers mit tausenden Pferdesportbegeisterten und Spitzensportler:innen. Mittendrin der FH-Student und Voltigierer Leon Hüsgen. Der 25-Jährige erreichte in der Einzelwertung der Herren beim CHIO den vierten Platz und reiste als Reserve des Bundeskaders mit zur Weltmeisterschaft nach Bern – während der Klausurenphase.
Über den Voltigiersport
Was ursprünglich Teil einer militärischen Ausbildung war und aus der Antike stammt, ist heute moderner Leistungssport. Abgeleitet aus dem französischen „volte“, was so viel wie „Bogenschlag“ bedeutet, trainierten Soldaten früher in ihrer Ausbildung das Auf- und Abspringen sowie verschiedene Balanceübungen am Pferd. Daraus erwuchs über Jahrzehnte der Voltigiersport, bei dem das Ausführen von akrobatischen Figuren in Harmonie mit dem Pferd im Vordergrund steht. Das speziell ausgebildete und ausgerüstete Voltigierpferd wird auf einem großen Zirkel im Galopp longiert; der Voltigierer muss dann in einer vorgegebenen Zeit ein bestimmtes Programm an Übungen präsentieren. Unterschieden wird in drei Wettkampfdisziplinen: das Gruppen-, Doppel- und Einzelvoltigieren. Je nach Art des Prüfungsdurchgangs bestehen diese aus einem Katalog fest vorgeschriebener Übungen (die „Pflicht“) oder aus einer frei zusammengestellten „Kür“.
Ein Zusammenspiel aus Kraft, Beweglichkeit und Harmonie mit dem Pferd
Das Turnen fand Leon Hüsgen bereits im jungen Alter interessant; bei einem Ferienangebot des Reitsportvereins Neuss Grimlinghausen kam er dann aufs Pferd. Sehr schnell erreichte er ein hohes Niveau, nahm bereits 2016 als Einzelvoltigierer an den Europameisterschaften der Junioren in Frankreich teil. Im Team startete er bei mehreren großen internationalen Turnieren, so auch bei dem CHIO in Aachen. Seit 2023 konzentriert er sich jedoch vollständig auf den Einzelsport.
Es sei vor allem die Vielseitigkeit des Sports, das Wechselspiel aus Kraft, Beweglichkeit und die Zusammenarbeit mit dem Pferd, die das Voltigieren für Hüsgen so besonders machen. Dazu gehören auch der Zusammenhalt und das gegenseitige Aushelfen innerhalb der nationalen und internationalen Voltigier-Community. „Man ist mit der ‚Konkurrenz‘ befreundet. Dadurch kennt man in vielen Ländern Menschen, das ist schon sehr cool“, erklärt er. An sechs Tagen in der Woche steht für Hüsgen Training in der Sport- oder der Reithalle, auf dem Holz- oder dem realem Pferd an. Futuristisch wird es zudem beim Training mit dem Pferdesimulator namens „Movie“. Mithilfe dieses beweglichen Holzpferdes lässt sich der Galoppsprung realistisch imitieren und der Partner Pferd wird im Training entlastet. „Es ist eigentlich ein wenig paradox, aber je besser ich werde, desto mehr will ich trainieren“ erzählt der Sportler.
Studium des Holzingenieurwesens
Vor dem Antritt seines Holzingenieurstudiums absolvierte Hüsgen bereits eine Ausbildung zum technischen Modellbauer. Der Werkstoff Holz stieß bei ihm schon immer auf großes Interesse, sodass er sich anschließend für den Studiengang an der FH Aachen entschied. Ausschlaggebend war dabei auch die Nähe der FH zu seinem Trainingsstandort bei Neuss. Das Holzingenieurwesen ist ein Teilgebiet des konstruktiven Ingenieurbaus und damit ein Spezialgebiet des allgemeinen Bauingenieurwesens. Zu den Aufgaben von Holzingenieur:innen gehört beispielsweise das Konstruieren und Berechnen von Holztragwerken. Abseits des Trainings und des Studiums befasst sich Hüsgen auch in seiner Freizeit gerne mit dem Werkstoff Holz, so konzipiert und baut er eigene Möbelstücke.
Balanceakt zwischen Leistungssport und Studium
Neben der Versorgung seines Pferdes, das ebenfalls als Reserve mit in Bern unterwegs war, und dem Anfeuern der deutschen Teamkolleg:innen, lernte Hüsgen zwischen den Wettkampfprüfungen für seine Klausuren, die unmittelbar nach seiner Rückkehr aus der Schweiz anstanden.
Ein Balanceakt, nicht nur zu Pferde, sondern auch zwischen Leistungssport und Hochschulalltag gilt es zu meistern, denn das Voltigieren ist für Hüsgen nach wie vor ein Hobby. Eine große Hilfe für ihn sei dabei auch der nahe Kontakt zu den Professor:innen an der FH und die kollegiale Unterstützung seiner Komilliton:innen, die ihn auch während seines Aufenthaltes bei den Weltmeisterschaften in Bern mit Zusammenfassungen und Mitschriften versorgten. Die nächsten Schritte im Studium sind für ihn das Praxisprojekt und die Bachelorarbeit. Was nach seinem Abschluss kommt, lässt Hüsgen noch für sich offen, aber: „Es geht eigentlich niemand ohne Jobangebot aus dem Studium raus“, erklärt er.
Auch wenn er als Reserve nicht selber bei den Weltmeisterschaften in den Wettkampf-Zirkel eingelaufen ist, so nimmt Hüsgen aus dem Turnier einiges an Erfahrung und Inspiration für die Zukunft mit. Als nächstes stehen für den Studenten im September die deutschen Meisterschaften in Verden an, bei denen er sich Chancen auf einen Podiumsplatz verspricht. Auch die Nominierung für die Europameisterschaft 2025 in Stadl-Paura und als besonderes Highlight die Weltmeisterschaft 2026 in Aachen hat sich Hüsgen als Ziel für die Zukunft gesetzt.