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"Wer auf dem Rursee segeln kann, kann überall Segeln!"

Reportage über den Segelkurs des Hochschulsportes am Wildenhof

Ein Gefühl wie im Urlaub: Eric Radermacher segelt mit dem HSZ, um seinen Segelschein zu machen. Foto: FH Aachen / Nina E. Schreyer

Eric quetscht sich in seinen Neoprenanzug und nimmt hinten im Segelboot "Cinnamon" Platz, das am Anleger des Wildenhof liegt. Er ist heute der Skipper und damit für das Schiff verantwortlich. Mit ihm segelt Conny, die die Rolle des Vorschoters übernimmt, also das Vorsegel übernimmt. Gemeinsam lassen sie die "Cinnamon" vom Anleger gleiten und schließen zu den Segelbooten "Pepper" und "Curry" auf dem Rursee auf. Die Schuhe quietschen auf dem Deck des kleinen Bootes, die Seile des Segels der "Cinnamon" flattern wild durch den Wind.

Wir sind am Rursee, genauer gesagt am Wildenhof, dem Segelhafen des Hochschulsportzentrums von RWTH und FH beim Kurs "Ausbildung zum Sportbootführerschein Binnen". Es ist der dritte von insgesamt zehn Tagen für die 24 Teilnehmenden.  Einer von ihnen ist der 28-jährige Eric Radermacher, der im 2. Mastersemester Bauingenieurwesen an der FH Aachen studiert. Der Aachener nimmt zum ersten Mal an einem Segelkurs teil – dennoch ist es nicht seine Premiere auf dem Wasser. Seine ersten Erfahrungen hat Eric vor vier Jahren mit seinen Freunden auf einem kleinen Holzsegelboot am Plöner See gemacht. "Der Nervenkitzel beim Segeln besteht darin, dass man Mut braucht, an die Grenzen des Machbaren zu gehen", erklärt Eric. "Diesen Nervenkitzel fühle ich immer wieder, wenn eine Böe anbraust. Selbst, wenn man mit dem Boot kentert, ist das auch nicht so schlimm, weil man das Boot wieder aufrichten und weitersegeln kann."

Kentern gehört dazu!

Und das Aufrichten will gelernt sein! Bei der allgemeinen Kenterübung am Anfang des Kurses dürfen alle Teilnehmenden einmal mit ihrem Boot kontrolliert sinken, um es danach wieder aufzustellen.  "Jede Schülerin und jeder Schüler sieht so, dass das überhaupt nicht schlimm ist", erklärt Judith Hagemann, eine der sechs ehrenamtlichen Segellehrer:innen des Kurses. "Kentern gehört einfach dazu!" Im Laufe des Kurses kentert auf dem See fast jede:r Teilnehmer:in während der Übungen früher oder später – dies liegt vor allem an der besonderen Beschaffenheit des Rursees: Durch die Form des Sees mit seinen umgebenden Bergen entstehen fallende Winde, die von allen Seiten auf der Oberfläche zusammentreffen. Die Boote werden so immer mal zusammengetrieben, wodurch brenzlige Situationen entstehen können. Judith: "Unsere Schüler:innen werden hier auf schwierige Gewässer vorbereitet. Wer auf dem Rursee segeln kann, kann überall segeln!".

Während Eric und Conny die "Cinnamon" durch die Wellen manövrieren, steht immer ein:e Lehrer:in auf dem Steg und ruft Anweisungen über das Wasser. "Die häufigste ist `Kopf runter‘!", lacht Eric. Ein guter Hinweis, wenn man sich Kopfschmerzen ersparen möchte – denn der Segelbaum am Segelmast schwenkt während der Fahrt über die Köpfe der zwei Segler:innen. Für die Stimmen der Lehrer:innen ist diese Vorgehensweise nicht so förderlich: "Am Ende des Tages sind wir immer heiser", wird Judith später am Steg erzählen.

Dabei ist die Stimme für die Lehrer:innen ein unverzichtbares Werkzeug - denn zu den Aufgaben der Lehrer gehört auch das Halten des Theorieunterrichts des Kurses. Woran kann man während der Fahrt die Richtung des Windes erkennen? Wie geht man mit der Strömung um? Was bedeutet es, wenn es heißt, der Wind raumt? All diese Fragen und viele mehr werden hier geklärt. Die Segel-Neulinge machen sich Notizen, während die Lehrer:innen mit einem kleinen Modellschiff zeigen, wie man das Segel stellt, wenn der Wind sich dreht. Unter den Teilnehmenden sind Bachelor- und Masterstudierende sowie Mitarbeitende. Alle haben unterschiedliche Vorkenntnisse – wie sichert man, dass jeder beim Lernstoff mitkommt? "Wir haben viele Ingenieurswissenschaftler, die wissen natürlich was ein Vektor ist, und stellen viele physikalische Fragen. Anderen muss man das mit dem Vektor erklären, aber am Ende versteht es jeder", sagt Judith.

Bestehen der Prüfung? Fast sicher!

Wieder auf dem Wasser macht das Segelboot „Cinnamon“ eine Kurve und Erics Segelpartnerin Conny lässt eine im Boot verstaute blaue Boje während der Fahrt ins Wasser fallen. Eine Übung, die auch in der Segelprüfung vorkommt. Die Boje symbolisiert einen Menschen, der gerettet werden muss. "Boje über Bord an Steuerbord-Seite!", ruft Conny. Eric antwortet: "Klar zur Q-Wende!". Das Boot dreht sich langsam, das Boot fährt an der Boje vorbei und Eric greift über das Boot ins Wasser und schnappt nach ihr. "Boje gefasst", ruft Conny. Aus der Ferne hört man ein Jubeln. Ihre Mitteilnehmendem auf dem Boot "Curry" haben die erfolgreiche Rettungsaktion mitbekommen und jubeln ihnen zu. "Die Stimmung hier ist immer super – auch auf dem Wasser", erzählt Eric. Er hat sichtlich viel Spaß auf dem Wasser. Wie lange hält er es auf dem Boot aus? "Eric würde auch auf dem Boot schlafen", lacht Conny.

Spätestens um 19 Uhr werden die Teilnehmenden ihre Segel jedoch streichen müssen, dann gibt’s Abendessen. Die Verpflegung übernehmen die Segel-Neulinge selbst. Es gibt Kochgruppen, die die Mahlzeiten vorbereiten. Danach wird noch bei Bier und Fanta zusammen angestoßen. Es wird getrunken, gelacht und natürlich über das Segeln gesprochen. Alle eint, dass sie am Ende die Segelprüfung bestehen wollen, die von einem:r externen Prüfer:in begleitet wird. Doch obwohl der Rursee als Gewässer anspruchsvoll ist, ist Judith optimistisch: "Die Teilnehmenden in unserem Kurs haben eine 99,99-prozentige Chance zu bestehen."

Für die, die jetzt auch Lust auf einen Segelkurs haben, hat Eric noch ein paar Tipps parat: "Sie sollten eine kleine Portion Mut mitbringen. Beim Kurs gibt es sehr gute Leute, die einen führen. Aber man lernt das Segeln nur durchs Segeln!"

Über den Segelkurs Binnen:

Beim Segelkurs des Hochschulsportes lernen die Teilnehmer die Grundlagen des Segelns, um dann nach einer theoretischen und praktischen Prüfung berechtigt zu sein, Boote mit Segel und Motor bis zu 20 Metern Länge auf Flüssen, Kanälen und Seen fahren zu dürfen. Weitere Informationen zum Kurs und dem Wildenhof gibt es hier.