Was passiert, wenn man zwei junge Ingenieure mit einer der komplexesten Versuchsanlagen der FH Aachen konfrontiert? Man erhält eine Geschichte über Verantwortung, Teamarbeit, persönliche Entwicklung – und sehr viele überraschende Herausforderungen. Sören und Marius blicken in unserem Gespräch zurück auf ihre Zeit als Projektingenieure im TESS-Projekt bzw. am SIJ und erzählen von Höhen, Hürden und einem Alltag zwischen Datenauswertung und Kammerjäger-Einsätzen.
Der Start am SIJ war bei beiden alles andere als gradlinig. Während Sören seine Tätigkeit als Hilfskraft bereits 2016 am Institut aufnahm, kam Marius über eine Stellenausschreibung 2022 ins Team und zweifelte nach einem kurzen Bewerbungsgespräch zunächst an seinen Chancen. Die Online-Präsentation lief alles andere als reibungslos: das Tool stürzte ab, der Rechner machte nicht mit und insgesamt war der Auftritt eher holprig. Umso größer war die Überraschung, als am nächsten Tag der Anruf mit der Zusage kam. Für Sören eine Erleichterung endlich eine helfende Hand im Projekt zu haben.
Der Arbeitstag bei Sören und Marius beginnt zwar in der Regel mit klassischen To-Dos wie E-Mails, Besprechungen und organisatorischen Aufgaben – doch selten läuft er so weiter, wie geplant. „Eigentlich startet alles ganz strukturiert und endet oft ganz woanders“, sagt Marius schmunzelnd. Mal steht eine Besuchsführung an der Versuchsanlage an, mal streikt unerwartet die Heizung der Anlage oder es fehlt ausgerechnet der Erste-Hilfe-Kasten und schon verschiebt sich der Zeitplan. „Gerade, wenn man mitten im Thema steckt und dann ein Anruf kommt, dass der Schädlingsbekämpfer vor der Tür steht, ist das schon ein kleiner Stimmungskiller“, erzählt Marius augenzwinkernd. Solche ungeplanten Unterbrechungen reißen einen nicht nur aus der Konzentration, sie fordern auch organisatorisches Talent und eine gute Portion Humor.
Eine Herausforderung in der Projektarbeit sind die regelmäßig stattfindenden Versuchswochen, die eine ganz besondere Dynamik in den Arbeitsalltag bringen: Wenn die große Anlage im 24-Stunden-Betrieb für eine Woche getestet wird, ist volle Aufmerksamkeit gefragt – rund um die Uhr. Über 1400 Stunden wurde das System bereits in unterschiedlichsten Betriebsmodi auf Herz und Nieren geprüft. „Da bleibt vom Privatleben nicht mehr viel übrig“, erzählt Sören lachend. In solchen Wochen plant er private Termine gar nicht erst ein; zu unvorhersehbar sind Arbeitszeiten, Anforderungen und Zwischenfälle. Marius hingegen hat sich seinen eigenen Rhythmus geschaffen: Nach einer Nachtschicht gönnt er sich ein paar Stunden Schlaf und nutzt die Zeit bis zum nächsten Einsatz oft für Arzttermine, Sport oder einen kurzen Kaffee mit Freunden. „Danach lege ich mich noch mal aufs Ohr und dann geht’s wieder weiter“, sagt er gelassen.
Ob die Betreuung von Studierenden, die fokussierte Datenauswertung, die Beschaffung von Equipment im sechsstelligen Bereich oder das Managen unvorhersehbarer Ereignisse: Die Arbeit mit der multiTESS-Anlage bleibt geprägt von Herausforderungen. Und genau das ist es, was beide rückblickend als wertvoll empfinden. „Man wird da einfach reingeworfen“, erinnert sich Sören und Marius ergänzt: „Man wächst mit den Aufgaben – ob man will oder nicht.“ Da hilft es, dass niemand alleine ist: Das Team fungiert als Rückhalt und als Sparringspartner bei fachlichen Fragen. Besonders bei komplexen Datenauswertungen oder der Fehlersuche hilft es, gemeinsam zu knobeln. Wenn sich die Beiden gegenseitig die Bälle zuspielen und ihr Wissen austauschen, „macht das einfach Spaß“, so Sören. Die Arbeitskultur am SIJ beschreiben beide als vertrauensvoll und selbstorganisiert. Das bedeutet: viel Verantwortung, aber auch große Gestaltungsspielräume. „Man kann sich richtig austoben“, sagt Sören.
Das Highlight der Beiden war jedoch die multiTESS-Anlage selbst. „Als ich das erste Mal da war, war ich einfach überwältigt“, erzählt Marius. „Das Ding ist riesig – und irgendwann begreift man, dass man da wirklich mitarbeitet.“ Für Sören war es besonders eindrucksvoll, wie viel Vertrauen ihnen von Anfang an entgegengebracht wurde und dass sie von Beginn an Verantwortung übernehmen und die Anlage mit den eigenen Händen aufbauen durften.
Was würde man rückblickend anders machen? Es gäbe durchaus Punkte, an die Marius heute anders herangehen würde. „Ich hätte mich in bestimmten Bereichen früher aktiver eingebracht“, sagt er offen. Besonders zu Beginn habe er sich teils stark leiten lassen, statt eigene Schwerpunkte zu setzen. „Mit dem Wissen von heute würde ich mutiger Entscheidungen treffen.“ Gleichzeitig betont er aber auch: Gerade die vermeintlichen Umwege und Unsicherheiten seien es gewesen, an denen er am meisten gewachsen sei.
Auch Sören teilt diese Einschätzung. „Manche Erfahrungen kann man nicht vorwegnehmen – die muss man einfach selbst machen“, sagt er. Fehler, Herausforderungen, aber auch Erfolgserlebnisse hätten ihn letztlich nicht nur fachlich, sondern auch persönlich geprägt. Für beide steht fest: Nicht jeder Schritt war perfekt – aber jeder einzelne war lehrreich.
Das Projekt „TESS KWK“ nähert sich seinem Ende und mit ihm geht eine intensive, lehrreiche und vielseitige Zeit zu Ende. Für Marius und Sören bleibt der Wunsch, dass die Versuchsanlage auch in Zukunft aktiv genutzt wird und das im Projekt aufgebaute Know-how nicht verloren geht. Die Erfahrungen, die gesammelt wurden sowohl technisch als auch organisatorisch bilden eine wertvolle Grundlage für zukünftige Projekte.
Für Marius und Sören hoffe ich, dass sie ihr Wissen und ihre Erfahrung künftig in einem ebenso spannenden Umfeld einsetzen können – idealerweise dort, wo es direkte Anwendung in der Industrie findet. Und ganz persönlich würde ich mir wünschen, dass dieses Team mit all seiner Energie, seinem Humor und seiner Verlässlichkeit in ähnlicher Konstellation erhalten bleibt. Denn genau das hat dieses Projekt ausgemacht.