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Zwischen Mensch und Maschine

FH-Student Adrian Klein arbeitet an ergonomisch verbesserten Cockpits

„… damit wir aus diesem Leben die besten Früchte, bei der geringsten Anstrengung mit der höchsten Befriedigung für das eigene und das allgemeine Wohl ernten und dabei anderen und dem eigenen Gewissen gegenüber gerecht verfahren.“ Mit diesen Worten wurde das Konzept der Ergonomie im 19. Jahrhundert erstmalig von dem polnischen Wissenschaftler Wojciech Jastrzebowski definiert. Von kleinen Gelkissen auf Mauspads über anatomisch angepasste Stühle bis zu höhenverstellbaren Schreibtischen: Im Büro des 21. Jahrhunderts gibt es viele Ansätze, die Arbeitsumgebung an den menschlichen Körper anzupassen. Doch was ist, wenn der Arbeitsplatz 5.000 Meter über der Erdoberfläche liegt?

Cockpits unter der Lupe

FH-Student Adrian Klein widmete sich in einem Praxisprojekt und nachher in seiner Bachelorarbeit diesem außergewöhnlichen Arbeitsplatz. Unter stetiger Belastung von g-Kräften und Mikrovibrationen müssen Pilot:innen mit Feinmotorik und einer guten Koordination auf beengtem Raum agieren. In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe arbeitete Klein an einer Auswertung und Optimierung der Ergonomie von Flugzeugcockpits. Unterstützung und Expertise für das Projekt erhielt Klein von den Experten der Luftwaffe und von Prof. Dr. Andrea Upmann, die am Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik der FH im Lehrgebiet für Fahrzeuginterieur tätig ist. Die gewonnenen Daten sollen Aufschluss über die körperlichen Grenzmaße geben, die nicht unter- oder überschritten werden dürfen, um das Luftfahrzeug optimal bedienen zu können. Aktive und angehende Pilot:innen können somit zielgerichteter für die unterschiedlichen Maschinen ausgewählt und eingeplant werden.

Die Arbeit, das Werk - Ergon

Das Leichtflugzeug DA 40 stellte das Versuchsobjekt für eine erste ergonomische Ausmessung dar. Um die Dimensionen des Cockpits erfassen zu können, verteilte Klein zusammen mit Kameraden zahlreiche kleine Marker, sogenannte Targets im Cockpit. Zusätzlich wurde auf dem Pilotensitz eine Vorrichtung positioniert und mit Gewichten beladen. Diese simuliert die zentrale Position der Hüfte, auch Sitzindexpunkt genannt. Durch ein 3D-Handmessgerät wurden die Targets eingescannt und am PC in Geometrien und Texturen umgerechnet, sodass ein dreidimensionales Modell generiert werden konnte. Da beim Steuern des Luftfahrzeugs alle Bedienelemente im vollen Umfang werden, mussten die Scans mehrmals unter verschiedenen Vollausschlägen der Bedienelemente vorgenommen werden. Die erhobenen Daten wurden schließlich in das Rechnergestützte Anthropometrisch-Mathematischen System zur Insassen-Simulation, kurz RAMSIS überführt. Mithilfe der Software können Positionen und Körperhaltungen, die Erreichbarkeiten, die Handhabungskräfte und die Sicht von Pilot:innen prognostiziert oder Komfortaspekte bewertet werden. Im Rahmen seiner Bachelorarbeit konstruierte Klein einen individuell auf die Handgröße anpassbaren, ergonomisch optimierten Sidestick für Luftfahrzeuge. Per 3D-Druck erstellte er Prototypen des Steuerknüppels in mehreren Größen und präsentierte diese mehreren Piloten, unter anderem auch von der Eurofighter-Flotte.

Die Übereinkunft, das Gesetz - Nomos

„Die Art und Weise, wie Menschen ihre Umgebung wahrnehmen und auf sie reagieren, kann sehr unterschiedlich sein. Etwas zu kreieren und konstruieren, das für alle passt, ist für mich sowohl eine schöne, als auch herausfordernde Aufgabe“, erzählt der ehemalige Hubschraubermechaniker, Bundeswehrreservist und Fitnessenthusiast. In der Arbeit an Mensch-Maschine-Schnittstellen findet  er eine passende Verbindung zwischen seinem technischen Wissen und seiner Begeisterung an der Arbeit mit dem menschlichen Körper. Das inkorrekte Ausführen von Übungen im Sport sowie falsche oder unnatürliche Bewegungen bei der Arbeit können zu Verletzungen oder chronischen Schmerzen führen. Dies möchte Klein durch seine Arbeit anderen Menschen ersparen.

Auf Vorschlag von Prof. Upmann stellte Klein seine Arbeiten bei der vergangenen RAMSIS User Conference in Ludwigsburg einem Fachpublikum vor und erhielt eine sehr positive Resonanz. Nach seinem erfolgreichen Bachelorabschluss führt Klein sein Studium im Master an der FH fort und unterstützt Prof. Upmann in der RAMSIS Lehre, um seine Kenntnisse aus den Projekten weiterzugeben. Spezialisiert hat er sich dabei auf die Raumfahrt, mit dem Ziel, vielleicht irgendwann auch Arbeits- und Lebensräume 400 Kilometer über der Erdoberfläche für den Menschen optimieren zu können.