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Damit die Milch nicht sauer wird

Patrick Kirchner promoviert zum Thema „Überwachung antiseptischer Prozesse in der Lebensmittelproduktion“ – mit Auszeichnung

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen am Frühstückstisch und wollen eine Schale Müsli essen. Sie nehmen eine neue Tüte Milch, öffnen sie und … nehmen einen säuerlichen Geruch wahr, der Ihnen die Lust aufs Frühstück erst einmal verdirbt. Wenn industriell verpackte Lebensmittel verderben, so ist meist eine unzureichende Sterilisierung der Verpackung – in diesem Fall des Milchkartons – dafür verantwortlich. Der FH-Nachwuchswissenschaftler Patrick Kirchner hat in seiner Promotion ein Verfahren entwickelt, wie antiseptische Prozesse in der Lebensmittelproduktion in Echtzeit überwacht und optimiert werden können.

Am 24. Juni hat der 29-Jährige seine Dissertation an der Philipps-Universität Marburg verteidigt – und zwar auf so beeindruckende Weise, dass ihm der Doktortitel mit Auszeichnung zuerkannt wurde. Die Arbeit von Dr. Kirchner beschäftigt sich mit der Frage, wie Sensoren beschaffen sein müssen, damit der Abfüllprozess von Lebensmitteln möglichst effizient kontrolliert werden kann. Als Sterilisationsmittel wird oft gasförmiges Wasserstoffperoxid eingesetzt, das eine hohe keimreduzierende Wirkung hat und in umweltfreundliche Abbauprodukte (Wasserdampf und Sauerstoff) zerfällt. In der Produktionspraxis sieht das so aus, dass die Kartons von einer Maschine aufgefaltet und dann zunächst mit heißer Luft ausgeblasen werden. Es folgt die eigentliche Sterilisation der Verpackung mit Wasserstoffperoxid, bevor nach einer weiteren Behandlung mit steriler Luft die Befüllung mit dem Lebensmittel folgt.

Der kritische Punkt in diesem Prozess ist die Frage, ob die Konzentration des Wasserstoffperoxids an den Innenseiten der Verpackung überall im richtigen Bereich liegt. Ist sie zu niedrig, können Keime verbleiben und die Lebensmittel angreifen; ist sie zu hoch, können Rückstände der Chemikalie in der Verpackung bleiben, was im schlimmsten Fall eine Gefährdung der Gesundheit der Kunden nach sich ziehen könnte. Das Besondere an der Sensortechnologie, die Dr. Kirchner im Rahmen seiner Forschung am Institut für Nano- und Biotechnologien der FH Aachen entwickelt hat, ist der Einsatz in Echtzeit. Die Sensorik wird auf eine hauchdünne Kunststofffolie aufgebracht, die auf die Innenflächen der Verpackung geklebt werden kann. Während des Sterilisationsprozesses wird die Konzentration an Wasserstoffperoxid gemessen und berührungsfrei – mittels der RFID-Funktechnik – ausgelesen.

„Wir machen uns bei der Entwicklung der Sensorik die Eigenschaft von Wasserstoffperoxid zu nutze, dass beim katalytischen Zerfall Wärme entsteht“, erläutern Dr. Kirchner und Prof. Dr. Michael J. Schöning, sein betreuender Professor. Es handelt sich um einen kalorimetrischen Sensor – gemessen wird also die Temperatur, genauer gesagt die Temperaturdifferenz zwischen einem aktiven Sensorsegment, in dem Mangan(IV)-oxid als Katalysator zum Einsatz kommt, und einem passiven Segment, das mit einem hauchdünnen Film aus Fluorcarbonen beschichtet ist und an dem das Wasserstoffperoxid sich sozusagen die Zähne ausbeißt. Diese Temperaturdifferenz lässt dann direkte Rückschlüsse auf die Konzentration zu – je größer die Differenz, desto höher die Gaskonzentration.

Eine besondere Herausforderung war die Entwicklung des Trägerelements. Um die Messergebnisse nicht zu verfälschen, musste das Trägermaterial eine geringe Wärmeleitfähigkeit aufweisen, denn die Prozesstemperatur liegt jenseits von 200 Grad Celsius. Die Wahl des jungen FH-Wissenschaftlers fiel schließlich auf eine Polyimidfolie. „Ein Haar ist zehnmal dicker als die Folie“, berichtet Dr. Kirchner. Das Material ist flexibel, so dass es problemlos an den Innenseiten der Verpackung angebracht werden kann. Der gesamte Sensor weist eine Fläche auf, die nur wenige Quadratmillimeter groß ist.

Patrick Kirchner hat seine Promotion im Oktober 2008 in Angriff genommen, seitdem hat er einen Buchbeitrag, acht Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften sowie eine Patentanmeldung in seiner wissenschaftlichen Vita. Geboren wurde er in Bad Neustadt an der Saale, in der Röhn zwischen Fulda und Bamberg gelegen. Nach dem Hauptschulabschluss machte er eine Ausbildung zum IT-Systemelektroniker, die Fachhochschulreife an einer Berufsoberschule und schließlich ein Studium der Physikalischen Technik am Campus Jülich der FH Aachen. Die Promotion entstand in enger Abstimmung mit Prof. Dr. Michael Keusgen, Fachbereich Pharmazie der Philipps-Universität Marburg.