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Diagnose in einem Augenblick

Prof. Dr.-Ing. Konstantin Kotliar an der TU München habilitiert

Ein einziger Blick ins Auge des Patienten könnte in Zukunft verraten, ob Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes, Bluthochdruck oder grüner Star (Glaukom) vorliegen. Mehr noch: Sogar bei scheinbar gesunden Patienten könnten mögliche pathologische Gefäßveränderungen früh erkannt werden. Von dieser neuartigen Diagnosemethodik ist Prof. Dr. Konstantin Kolilar, seit August 2012 Professor am Fachbereich Medizintechnik und Technomathematik, überzeugt. Er meint: Schon bald genügt ein kurzer Blick ins Auge, um die Diagnose der gefäßbelastenden Erkrankungen zu stellen. In seiner Habilitationsschrift „Dynamische retinale Gefäßanalyse für die Diagnostik und Früherkennung von System- und Augenerkrankungen vaskulärer Genese“ hat Prof. Kotilar den wissenschaftlichen Grundstein für rein optische klinische Diagnosemethoden gelegt und dafür die Eigenschaften und das Verhalten von kleinen Blutgefäßen innerhalb der Netzhaut genau unter die Lupe genommen.

Eine Untersuchung, vier Ergebnisse

„Die Retina, also die Netzhaut, ist eine der wenigen Stellen im menschlichen Körper, die einen optischen, unverzerrten Einblick in unsere Gefäße ermöglicht“, erklärt der 41-jährige den Ausgangspunkt seiner Forschung. „Wir können also anhand der optischen Verfilmung der Netzhaut verschiede Aspekte der retinalen Mikrozirkulation untersuchen.“ Der Schlüssel zur Diagnostik liegt in der Veränderung von Gefäßen. Wenn der Mensch altert, verändern sich auch die Gefäße: sie verlieren an Elastizität und an Regulationsreserven. Die Gefäßwände werden dicker. Doch auch Erkrankungen wie Hypertonie, Diabetes Mellitus, metabolisches Syndrom sowie die Augenerkrankungen Glaukom und Makuladegeneration hinterlassen gleichsam ihre Spuren. Und genau hier sieht Prof. Kotliar Potenzial für eine neue Diagnosemethodik.

„In der aktuellen Gefäßforschung werden in erster Linie die großen Gefäße untersucht – vielleicht, weil es praktikabler ist“, sagt Prof. Kotliar. „Dabei treten viele Gefäßveränderungen auf; zuerst an den kleinen Gefäßen von weniger als 300 μm Durchmesser. Zur Früherkennung muss man also das Augenmerk auf die kleinen Gefäße richten und nicht erst dann aktiv werden, wenn schon die großen Gefäße betroffen sind!“ Große Arterien und Venen der Netzhaut von 80 bis 200 μm Durchmesser stellen dabei sehr spannende Untersuchungsobjekte dar, da diese in Aufbau und Funktion den Hirngefäßen ähneln. In seiner Habilitationsschrift stellt Prof. Kotliar vier Methodengruppen zur dynamischen retinalen Gefäßanalyse vor, die er jeweils mit klinischen Studien untermauert. Für den Patienten bedeutet das nur eine unkomplizierte, nicht-invasive Untersuchung, die danach mit Blick auf vier verschiedene Aspekte des Gefäßverhaltens mathematisch analysiert wird.

Modernes Untersuchungssystem und selektive Diagnostik

Ohne modernste technische Ausstattung ging auch bei diesem Forschungsvorhaben wenig. Unterstützung kam vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen sowie vom Fachbereich Medizintechnik und Technomathematik: Gemeinsam stellten sie die Finanzierung für ein Spezialgerät. Die modernste mobile Version des Retinal Vessel Analysers (siehe Foto) ermöglicht weitere Untersuchungen im Rahmen des Projektes auch in Praxen und Kliniken der Kooperationspartner durchzuführen.

Wie geht es nun weiter? „Die Idee ist da, die Methoden sind entwickelt und haben den Praxistest bestanden“, sagt Prof. Kotliar. „Allerdings können die Methoden einzeln bloß feststellen, ob ein Gefäß krank oder gesund ist. Welche Erkrankung dahinter steckt, sei es Diabetes oder ein Glaukom, lässt sich vermutlich im Zusammenspiel aller vier Methoden herausfinden.“ Deshalb möchte der Forscher gemeinsam mit bestehenden, aber auch neuen Kooperationspartnern im Raum Aachen sein Forschungsprojekt fortführen. Eine Zusammenarbeit mit der Augenklinik des Uni-Klinikums Aachen ist bereits im Aufbau. Drei Praxisprojekte mit BMTStudierenden laufen derzeit. Zudem plant Prof. Kotliar, in Zukunft weitere Studierende und Doktoranden in seine Forschungsarbeit einzubinden.

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