Lehrpreis 2022

„Meine Leidenschaft – Ihre Zukunft!“

Lehrpreis 2022 für Prof. Dr. Mark Knüppel

Er lehrt nicht nur Steuern, er lebt Steuern. Sein Motto „Meine Leidenschaft – Ihre Zukunft! Sie werden alle Steuerberater!“ kennen wohl alle Studierenden am Fachbereich. Verbunden mit viel guter Laune, einer offenen Art und hoher Motivation, steht Prof. Dr. Mark Knüppel auf der Beliebtheitsskala der Studierenden ganz weit oben. Dieses Engagement zahlt sich aus. Im Jahr 2022 wird er mit dem Lehrpreis der FH Aachen ausgezeichnet. Als Ehrung für hervorragende Leistungen in der Lehre vergibt die FH Aachen den Lehrpreis. Neben den besonderen Leistungen in der Lehre würdigt der Lehrpreis auch das weitere Engagement der Preisträgerin oder des Preisträgers für die Hochschule oder die Gesellschaft.

Im Interview erzählt Prof. Knüppel, dessen genaues Lehrgebiet „BWL, insbes. Unternehmensbesteuerung und Unternehmensnachfolge“ lautet, wieso er für die Steuerlehre brennt.

Sie haben den Lehrpreis 2022 von der FH Aachen verliehen bekommen. Was bedeutet Ihnen das?

Natürlich bin ich sehr glücklich. In den letzten Jahren bin ich viermal für den Lehrpreis der Hochschule nominiert worden. Das lehrt Erwartungsmanagement. Es ist fantastisch, dass ich diesmal die Nase vorne habe.

Sie betonen, dass Sie den Lehrpreis stellvertretend für viele Kolleginnen und Kollegen erhalten, die hervorragende Lehre machen. Warum so bescheiden?

Das erste Mal wurde ich 2015 für den Lehrpreis nominiert und der von mir sehr geschätzte Kollege Georg Hoever hat den Lehrpreis gewonnen. Die Kernbotschaft seiner Dankesrede war: „Ich stehe hier stellvertretend für die vielen Kolleginnen und Kollegen, die tolle Lehre an unserer Hochschule leisten.“ Das hat mich beschäftigt. Kollege Hoever hat eine Wahrheit bescheiden formuliert. Ich würde etwas frecher sagen: Die Leistungsdichte in der Spitze ist groß.

Wir haben unwahrscheinlich engagierte Kolleginnen und Kollegen, darunter viele, die neue Lehrformate ausprobieren, bestehende Lehrveranstaltungen einreißen und vollständig neue entwerfen. Ich bin mehr der evolutionäre Typ. Ich sehe aber revolutionäre Veränderungen und bin ganz still vor Respekt. Einige Kolleginnen und Kollegen haben viel tiefer als ich über Lehre bzw. Didaktik nachgedacht. Ich bin ganz verzaubert, wenn sie mir erklären, mit welchen Mitteln sie ihre Lernziele verwirklichen, auf die ich nur intuitiv zusteuere.

Ihre Evaluationsergebnisse waren nicht immer so gut, was haben Sie geändert?

Ja, das ist richtig. Zur Besprechung der Evaluation sage ich gelegentlich: „Wenn du aus der Gosse kommst, weißt du, wie schön es auf dem Olymp ist.“

Aber im Ernst. „Der Feind des Guten ist das Bessere“. Natürlich gibt es Punkte, die ich verbessern muss. Langsamer sprechen und weniger Tempo ist sicher ein zentraler Punkt. Außerdem will ich den Studierenden noch zu viel beibringen. Das Stichwort „didaktische Reduktion“ trifft einen wunden Punkt.

Eine entscheidende Verbesserung für meine Kurse war, als ich mich für „noch mehr Beispiele und Übungsaufgaben“ entschieden habe. Soweit es möglich ist, will ich erst ein Beispiel vorstellen und dann konzeptionell das Problem lösen.

Was motiviert Sie, was treibt Sie an?

In meinem Berufsleben bin ich zweimal beschenkt worden. Zum einen ist es wunderbar, dass ich das Steuerrecht als mein Thema entdeckt habe. Ich bin sehr glücklich, mich mit einem Thema beschäftigen zu dürfen, das mir solche Freude bereitet. Das zweite Geschenk ist, dass ich die Leidenschaft für mein Fach in den jungen Menschen wecken darf.

Mein Bruder sagte mal zu mir: „Es ist so wenig handfest, was du machst.“ Ich habe sofort erwidert: „Ich erschaffe Jünger.“ Gibt es ein stärkeres Kompliment, als wenn sich junge Menschen für mein Fach entscheiden. Mir ist ein sehr wertvoller Werkstoff anvertraut.

Bekommen Sie mit, wie es für „Ihre“ Absolventinnen und Absolventen weitergeht?

Viel zu wenig. Ich habe inzwischen aber so viele Absolventinnen und Absolventen, dass jedes Jahr eine Handvoll von ihnen das Steuerberaterexamen besteht. Ich lade dann immer im Sommer- und Wintersemester eine oder einen davon zum Gastvortrag ein. In der Regel machen sie dann 70 Minuten einen fachlichen Vortrag und weitere 20 Minuten geht es um den Lebensweg und das Berufsexamen. Da diese frischen Steuerberater und Steuerberaterinnen nur rund drei Jahre älter als die Studierenden sind, sind sie sehr glaubwürdige Vorbilder. Außerdem haben sie noch „Blut, Schweiß und Tränen“ vom Steuerberaterexamen am Kittel. Das Examen ist nicht einfach, das müssen alle meine Studierenden wissen, damit sie sich nicht naiv auf den Weg machen.

Warum ist die Steuerlehre Ihre Leidenschaft?

Steuerrecht ist wie Schach – vielfältig und kreativ. Es gibt ein wirtschaftliches Ziel und mehrere zivilrechtliche Wege, die dieses Ziel erreichen. Die Besteuerung der verschiedenen zivilrechtlichen Varianten entscheidet sich in der Regel aber erheblich. Daher ist Steuerberatung schöpferisch.

Vielleicht zwei Beispiele. Sie wollen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eine Immobilie an die Kinder übertragen. Sie können die Immobilie natürlich direkt verschenken. Meistens wollen die Eltern aber weiter die Mieterträge behalten und entscheiden sich für eine Übertragung unter Vorbehalt eines Nießbrauchs. Wirtschaftlich vergleichbar wäre aber auch eine Übertragung gegen Leibrente. In der Sache sehr ähnlich, in der schenkungssteuerlichen und ertragsteuerlichen Beurteilung aber grundverschieden.

Oder: Sie wollen sich am Gewinn eines Unternehmens beteiligen. Wirtschaftlich sind der (1) Kommanditist, der (2) atypisch und (3) typisch stille Gesellschafter, sowie (4) das partiarische Darlehen recht ähnlich. Steuerlich liegen Welten zwischen diesen Varianten.

Sie sind bekannt dafür, immer einen passenden Spruch oder ein Zitat parat zu haben. Ein solches Zitat ist „Die Unkenntnis der Steuergesetze befreit nicht von der Pflicht zum Steuerzahlen. Die Kenntnis aber häufig.“ des Bankiers Meyer A. Rothschild. Warum zitieren Sie dies so gerne?

Rothschild hat Recht. Unser Steuerrecht ist über viele Jahre gewachsen und das Spiel von Grundsatz, Ausnahme, Rückausnahme und Gegenausnahme wird sehr detailverliebt gespielt. Das ist natürlich Mist. Dieser Dschungel führt dazu, dass das Steuersystem häufig eine „Dummensteuer“ verlangt, weil die Spezialregelung nicht auf den Einzelfall passt. Kenner des Steuerrechts müssen diese Dummensteuer nicht zahlen. Natürlich werden nicht alle meine Absolventinnen und Absolventen Steuerberater. Diejenigen aber, die „nur“ Geschäftsführer werden, sollen ein Störgefühl bekommen, wann es angezeigt ist, die Profis zu fragen.

Vielleicht wollen jetzt einige über „Steuergestalter und Steueroptimierer“ schimpfen. Es ist aber der Gesetzgeber, der für die Regeln auf dem Spielfeld zuständig ist. Gerne zeigt die Politik auf Steuergestalter, vier Finger der Hand zeigen aber auf die eigenen Versäumnisse zurück. Über den Konflikt zwischen Legalität und Legitimität lässt sich streiten. Es ist aber Aufgabe des Parlaments, klare und faire Gesetze zu verabschieden.

Was macht einen Tag für Sie zu einem gelungenen Tag?

Ich möchte mit einer Anekdote antworten. Es war mein Berufungsgespräch oder meine Entfristung bei unserem ehemaligen Rektor Prof. Dr. Baumann. Wir unterhielten uns und ich erzählte, dass es im antiken Griechenland Rhetorikschüler gab, die ihren Rhetoriklehrer überzeugten, dass der Unterricht wertlos war und daher kein Honorar zu zahlen sei. Es gab also Schüler, die den Lehrer übertrafen. Das ist natürlich toll. „Ein bescheidener Wunsch,“ sagte Kollege Baumann und wir haben wunderbar gelacht.

Es gibt Tage, an denen Studierende Fragen stellen, die mir nachgehen und mich in die Bibliothek treiben. Das ist wunderbar. Zum einen geht die Saat auf und meine Studierenden geben mir etwas zurück. Außerdem bleibt der Kitzel der neuen Fragen, der mich umtreibt.

Sie bieten regelmäßig Exkursionen an. Was hat es damit auf sich?

Seit Jahren fahre ich mit meiner Fachkollegin Meike Utzerath und meinem Fachkollegen Jürgen Vogt nach Köln, wo wir an einem Verhandlungstag im Finanzgericht teilnehmen. Die Zusammenarbeit mit „unserem“ Senat ist hervorragend und das Gericht geht auf unsere Gruppe sehr wohlwollend ein. Nachmittags besuchen wir eine Big Four Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die Praxisbeispiele aus der Steuerberatung vorstellt. Die großen Prüfungsgesellschaften sind auch große und beliebte Arbeitgeber. Auf dem Weg zum Bahnhof trinken wir dann noch ein Bier im Brauhaus.

Dieses Angebot ist sehr niederschwellig und in der Spitze haben 90 Studierende aus unserem Fachbereich an der Exkursion teilgenommen. Wir bieten die Exkursion grundsätzlich im Sommer- und Wintersemester an.

Wie hat die coronabedingte Online-Lehre Ihre Präsenzlehre verändert?

Corona war für mich ein großer Digitalisierungsschub. Ich habe Videos gedreht, eine viehische Arbeit. Der Fachbereich hat auf meinen Vorschlag ein Webex-Board angeschafft, so dass ich mit feinster Konferenzraumtechnik streamen konnte. Beides habe ich beibehalten. Ich mache meine Liveveranstaltungen mit Publikum aus einem Hörsaal mit Webex-Board, so dass ich jede Veranstaltung streame. Außerdem stehen die Lehrvideos weiter zur Verfügung.

Ich bin allerdings ganz hin- und hergerissen, ob ich es den Studierenden zu leichtmache, „remote“ zu studieren. Die soziale Kontrolle des Hörsaals und auch das Netzwerk mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen geht verloren. Im Moment habe ich meine paternalistischen Bedenken zurückgestellt und hoffe oder vertraue, dass meine Studierenden mit der Freiheit verantwortungsvoll umgehen.

Verändert die Digitalisierung den Beruf des Steuerberaters?

Ein Studierender frage mich kritisch, ob die Digitalisierung und künstliche Intelligenz die Steuerberatung nicht überflüssig machen wird? Nein, ist die klare Antwort. Die Software wird die Deklarationsarbeit erleichtern und die Steuerberater werden vor Glück eine Kerze anzünden. Die Realität ist doch, dass heute jeder Steuerberater mit schlechtem Gewissen an seinen Akten vorbeiläuft. Jede Akte ruft: „Bitte berate mich.“ Die Kolleginnen und Kollegen sind aber durch die laufenden Steuererklärungen und Jahresabschlüsse vollständig ausverkauft. Sie schaffen es viel zu selten, ihre Mandantinnen und Mandanten steuerlich oder betriebswirtschaftlich zu beraten. Es ist aber gerade die Beratung, die der Mandant bzw. die Mandantin braucht und mit der gutes Geld zu verdienen ist. Die Digitalisierung ist also ein Segen.

Wie sehen die Berufsaussichten für die aus, die sich in Ihrer Vertiefung von Ihrer Steuerleidenschaft anstecken lassen?

Der Arbeitsmarkt für Absolventinnen und Absolventen der Betriebswirtschaft oder des Wirtschaftsrechts mit Schwerpunkt Steuern ist fantastisch. Ich sage meinen Studierenden gerne, dass sie sich den Arbeitgeber aussuchen können. Die Studierenden glauben mir dies zunächst nicht, bis sie ein Praktikum gemacht haben und mit einem Angebot für die unbefristete Vollzeitstelle nach Hause gehen.

Der Ruf nach einem einfachen Steuerrecht ist natürlich schön. Tatsächlich wird es regelmäßig komplexer. Dies liegt am Steuerwettbewerb zwischen den verschiedenen Ländern, der Detailverliebtheit des deutschen Gesetzgebers und steuerlichen Besitzständen, die die jeweilige Lobby verteidigt und vieles mehr. Fest steht nur: Einfacher wird es nicht. Der Steuerberater wird nicht arbeitslos.

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