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Wie sicher ist die Gasversorgung ohne Russland?

Prof. Dr. Jochen Linßen spricht beim Studium Generale über die Erdgaskrise

Die europäische Energieversorgung ist stark auf Importe angewiesen. Dies trifft in besonderem Maße auf Deutschland zu. Ausgesprochen ausgeprägt ist die Importabhängigkeit bei Erdgas: Mehr als die Hälfte wurde vor dem Embargo aus Russland geliefert. Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Erdgasimporten aus Russland verringern. Prof. Dr. Jochen Linßen vom Fachbereich Energietechnik gab in seinem Vortrag „Wie sicher ist die Gasversorgung ohne russisches Erdgas?“ im Zuge des Studium Generale eine Übersicht über Auswege aus der Gaskrise.

Ein Viertel des Gesamtenergiebedarfs der EU wird mit Erdgas gedeckt. Doch die europäischen Länder können sich nicht selbst mit Erdgas versorgen. Lediglich Norwegen kann derzeit in Europa deutliche Erdgasexporte vorweisen. Doch wie kann eine Erdgasversorgung ohne Russland gewährleistet werden? Der Experte sieht als Voraussetzung für einen Ausstieg aus der Erdgasabhängigkeit eine signifikante Einsparung in Haushalten, Gewerbe und Industrie. „Durch die ungewöhnliche milde Witterung im Oktober und November ist bereits deutlich an Energie in den Haushalten und in der Industrie gespart worden“, erklärt Prof. Linßen. Dennoch sieht er „Luft nach oben“ beim Reduzieren des Verbrauchs von Erdgas. „Die Einsparbemühungen der Bevölkerung haben nachgelassen, weil die Gefahrenlage durch die vollen Gasspeicher anders wahrgenommen wird“, so der Experte.

Nur gemeinsam kann die Krise bewältigt werden

Insgesamt könne Deutschland die Krise nur gemeinsam mit den Partnern in der Europäischen Union bewältigen: Durch den Wegfall der russischen Erdgasimporte im August 2022 bezieht Deutschland sein Erdgas durch einen erhöhten Pipelineimport von Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Die verbleibende Importlücke, etwa 1800 GWh/Tag, sollten nach Anraten des Experten durch sogenannte LNG (Liquefied Natural Gas)-Importe gefüllt werden. Unter LNG wird verflüssigtes Erdgas verstanden, das auf -161 bis -164 Grad abgekühlt wird. Dadurch nimmt es deutlich weniger Volumen ein als in seiner gasförmigen Gestalt und kann so kostengünstig über eine große Strecke hinweg transportiert werden. Bisher existieren in Deutschland keine LNG-Terminals, allerdings sollen drei in Wilhelmshaven, Stade und Brunsbüttel bis Ende 2022 in Betrieb gehen. 

Ein Wechsel hin zu erneuerbaren Energien unterstütze ebenfalls eine Reduzierung der Abhängigkeit von Russland. Besonders Wasserstoff spielt als Erdgasersatz aus Sicht des Experten eine große Rolle. Prof. Linßen: „Der Anteil an erneuerbaren Stromerzeugungen muss forciert gesteigert werden. Dabei stehen Treibhausgasneutralität und die Senkung der Importabhängigkeit im Einklang miteinander.“