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"Sei kein Otto"

FH-Studentinnen entwickeln Relaunch und Kampagnezum Spendentaler der Franziska-Schervier-Stube


Wer kennt sie nicht, die unangenehme Frage nach dem Kleingeld. Aber ist ein Übersehen des Gegenübers oder der Wechsel der Straßenseite die richtige Antwort? Bereits im Jahr 2006 haben die Schwestern des Schervier Ordens daher den Scherviertaler, einen roten Plastikchip mit dem Gegenwert eines Frühstücks, entwickelt. Er soll den Menschen die Begegnung mit einem oder einer Bedürftigen erleichtern. Zur Linderung der Not, durch ein Frühstück, aber auch zur Achtung des Gegenübers durch ein Hinsehen. Studentinnen vom Fachbereich Gestaltung haben nun gemeinsam mit den Schwestern einen Relaunch des Produkts vollzogen. Die neue Farbe Grün schenkt Hoffnung und mit der Bezeichnung "Spendentaler" soll dieser noch bekannter in der Städteregion werden.

"Sei kein Otto! Drück dich nicht vor der Frage nach Kleingeld. Mit dem Spendentaler immer die richtige Antwort dabei" - so der Slogan der Kampagne. Für den Verkauf des Spendentalers konnten neben dem Kloster in der Elisabethstraße auch die Innenstadtfilialen der Bäckerei Nobis Printen gewonnen werden. Bereits seit vier Generationen unterstützt Nobis Printen die Franziska-Schervier-Stube mit Brotspenden für das tägliche Frühstück.

Entwickelt wurde die Kampagne im Rahmen eines Semesterprojektes des Studiengangs Kommunikationsdesign der Fachhochschule Aachen, unter der Leitung von Professor Christoph Scheller. "Das Gefühl, welches Aachens Bevölkerung gegenüber Obdachlosen hat, wird in der Figur des "Ottos" überspitzt wiedergegeben", so die ideengebenden Studentinnen Birte Ossenkop, Genevieve Seillier und Martha Breil. "Auf humorvolle Art wird der Betrachter auf ein Fehlverhalten aufmerksam gemacht und erkennt sich vielleicht sogar in diesem wieder. Der Betrachter wird überzeugt, sich anders zu verhalten - denn niemand will ein Otto sein."

Die Figur Otto will auf überspitzte Art und Weise das eigene Verhalten vor Augen führen und das Bewusstsein für ein menschenwürdiges Miteinander stärken. Das gelingt den Studentinnen, indem sie die Reaktion der Bevölkerung, wie beispielsweise das Wegsehen oder die verrücktesten Ausreden aufzeigen. "Auch der Obdachlose oder Bettler hat es verdient, dass man ihm ins Gesicht blickt, wenn man angesprochen wird", so Schwester Veronika Stolze, die Einrichtungsleiterin der Franziska-Schervier-Stube. "Gerade die Lebenssituation auf Hilfe angewiesener Menschen ist oft nicht leicht. Das Selbstwertgefühl sinkt rapide beim Verlust der Arbeitsstelle, bei diversen Lebensschicksalen oder auch psychischen Problemen. Selbstverständlich ist niemand dazu verpflichtet, etwas zu geben. Aber Hinsehen statt Wegsehen ist mein Verständnis eines christlichen Lebens mit mehr Menschlichkeit, auch für die Armen."

Jeder Spendentaler hilft

Trotz Bedürftigkeit gelingt es nicht jedem, Hilfe auch anzunehmen. Daher kann es passieren, dass nicht jede Bettlerin oder Bettler den Spendentaler annimmt. Gerne können daher überschüssige Spendentaler an der Klosterpforte der Schwestern in der Elisabethstraße 19, Aachen, abgeben werden. Auch der Erlös dieser Spendentaler kommt der Franziska-Schervier-Stube zugute.

Die Franziska-Schervier-Stube

Die Franziska-Schervier-Stube in der Aachener Innenstadt ist ein niedrigschwelliges Angebot für Menschen in Not. Zu den Besucherinnen und Besuchern gehören Wohnungslose, Menschen mit niedriger Sozialhilfe, Suchtkranke, Arbeitslose oder auch stark Vereinsamte. Montags bis samstags wird in der Zeit von 8.15 Uhr bis 11.30 Uhr ein Frühstück angeboten. Die Gäste zahlen hierfür einen symbolischen Betrag von 50 Cent. Der überwiegende Teil der Gäste sind Männer im Alter zwischen 20 und 75 Jahren, wobei die zunehmende Altersarmut auch anhand der Besucherinnen und Besucher der Stube zu erleben ist.

Im Speiseraum finden 32 Gäste gleichzeitig Platz, außerdem verfügt die Einrichtung über Sanitärräume für Frauen und Männer. Eine Wäschestube rundet die Versorgung ab. Täglich besuchen die Einrichtung etwa 80 bis 100 Personen. Die Räume befinden sich innerhalb des Klostergebäudes des Mutterhauses der Armen-Schwestern vom hl. Franziskus in Aachen, der Zugang erfolgt über das große Tor in der Kleinmarschierstraße 47/49.