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Zwei erfolgreiche Promotionen am INB

Johanna Pilas und Julio Arreola schließen ihre Forschungsprojekte ab – unter erschwerten Bedingungen



Seit mehr als zehn Jahren werden am Institut für Nano- und Biotechnologien der FH Aachen (INB) junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zur Promotion geführt. Jetzt haben Johanna Pilas und Julio Arreola ihre jeweiligen Doktorarbeiten an der Philipps-Universität Marburg erfolgreich verteidigt. Von einer großen Feier kann in Zeiten der Coronakrise aber keine Rede sein: "Noch nicht einmal den Doktorhut konnten wir ihnen überreichen", sagt der Direktor des INB, Prof. Dr. Michael J. Schöning. Die beiden erfolgreichen Projekte sind seine Promotionen Nr. 15 und 16 in der Geschichte des INB, sie setzen die Forschungsarbeit fort, die seit Gründung des Instituts im Bereich der Biosensorik geleistet wird.

Auch unter den derzeit herrschenden erschwerten Bedingungen hat sich die enge Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michael Keusgen vom Fachbereich Pharmazie der Marburger Universität wieder ausgezahlt. "Gemeinsam haben wir es geschafft, die in Hessen geltenden Coronaregeln einzuhalten und die Prüfungen in kleiner Runde durchzuführen", berichtet Prof. Schöning.

Johanna Pilas und Julio Arreola haben in ihren Forschungsprojekten Themen bearbeitet, die zu den Kernthemen des INB gehören. Zum einen sollen Biosensoren dazu beitragen, die Vergärungsprozesse in Biogasanlagen kontinuierlich zu überwachen, um eine effiziente Prozesssteuerung zu ermöglichen. Johanna Pilas hat zu diesem Zweck ein enzymbasiertes Sensorarray entwickelt, das vier verschiedene Substanzen auf einem Chip detektiert. Zum anderen ermöglichen Biosensoren die Kontrolle von Sterilisationsprozessen in der Lebensmittelindustrie. Julio Arreola hat ein Verfahren entwickelt, mit dem Sporen auf Testverpackungen gezielt untersucht werden können, um Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der Sterilisationsverfahren ziehen zu können.

In ihrer Arbeit mit dem Titel "Electrochemical enzyme-based biosensor array for monitoring of organic acids and ethanol in biogas processes" hat Johanna Pilas die komplexen Reaktionsprozesse in Biogasanlagen untersucht. Konkret geht es um die simultane Erfassung der Konzentration von D-Laktat, L-Laktat, Ethanol und Formiat, die wiederum Rückschlüsse auf den Zustand der Biogasanlage zulässt. "Das Besondere ist, dass diese vier Funktionalitäten auf einem Chip untergebracht sind, ohne dass sich die Messungen gegenseitig beeinflussen", erklärt Prof. Schöning. Das sogenannte Sensorarray stellt sogar noch einen fünften Wert dar, der gewissermaßen als Basiswert und damit zur Kontrolle der Messungen dient. "Um den Prozess der Biogaserzeugung steuern zu können, benötigt man den richtigen Enzymcocktail", betont der Leiter des INB.

Die Gewinnung von Biogas durch anaerobe Vergärung organischer Substrate ist ein sensibler, vierstufiger Prozess. Alle vier Stufen, die Hydrolyse, Acidogenese, Acetogenese und Methanogenese, greifen Hand in Hand ineinander. Hier könnte eine schnelle, sensorbasierte Erfassung weiterhelfen, die dabei entstehenden Zwischenprodukte vor Ort zu überwachen und so die Prozesssteuerung positiv zu beeinflussen. Im Rahmen ihrer Arbeit hat die Nachwuchswissenschaftlerin das Testsystem als reagenzfreies Biosensorsystem weiterentwickelt, um es auf Einweg-Teststreifen zukünftig zum Monitoring von Biogasanlagen vor Ort nutzen zu können.

Die Promotion von Johanna Pilas wurde betreut von Prof. Schöning und Prof. Keusgen, als weitere Prüfer waren Prof. Dr. Shu-Ming Li (Pharmazeutische Biologie und Biotechnologie, Philipps-Universität Marburg) und Prof. Dr. Marcus Baumann (Rektor der FH Aachen) bei der erfolgreichen Disputation anwesend. Flankiert wurde die Arbeit in dem komplexen Themengebiet der Biogaserzeugung vom Institut NOWUM-Energy der FH Aachen, das für Experimente Probenmaterial zur Verfügung stellte. Mit dem Forschungsprojekt wird auch die wertvolle Arbeit des INB-Mitglieds Prof. Dr. Thorsten Selmer fortgesetzt, der im vergangen August verstorben ist. Die Promotionsarbeit von Dr. Pilas wurde gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie das Promotionsstipendium der FH Aachen zur Förderung von jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen.

Die Doktorarbeit von Julio Arreola trägt den Titel "Establishment of surface functionalization methods for spore-based biosensors and implementation into sensor technologies for aseptic food processing". Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie die Überwachung von Sterilisationsprozessen in der Lebensmittelindustrie verlässlicher gestaltet werden kann. Wenn mikrobiologisch sensible Lebensmittel wie etwa Fruchtsaft oder Milch verpackt werden, muss das Verpackungsmaterial aseptisch, also keimfrei sein. Um das zu gewährleisten, wird in industriellen Prozessen meistens Wasserstoffperoxyd eingesetzt. Es gab mehrere Forschungsprojekte am INB, die sich der Echtzeitmessung der Wasserstoffperoxydkonzentration gewidmet haben – je besser die Konzentration gesteuert wird, desto wirksamer ist der Prozess. Julio Arreola geht bei seiner Arbeit – wie sein Kollege Dr. Jan Oberländer vor ihm – einen anderen Weg. Prof. Schöning erklärt: "Die Industrie beimpft Testverpackungen mit Sporen, um die Wirksamkeit des Sterilisationsprozesses zu prüfen. Es dauert aber zwei oder drei Tage, bis der Nachweis vorliegt." Für Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie kann das konkret bedeuten, dass ein Teil der Produktion nicht verkauft werden darf, weil die nötige Produktqualität für diesen Zeitraum nicht gewährleistet werden kann.

Der Sensor, den Julio Arreola im Rahmen seiner Promotion entwickelt hat, kann innerhalb weniger Minuten überprüfen, wie die aufgebrachten Sporen auf die Bedampfung mit Wasserstoffperoxyd reagieren. Zu diesem Zweck hat er sich ausführlich mit der Morphologie, also der Form von Sporen auseinandergesetzt. Er kam zu dem Ergebnis, dass diese beim Kontakt mit Wasserstoffperoxyd zunehmend deformiert und dann abgeflacht werden. Zudem reagieren unterschiedliche Sporentypen auf verschiedene Weise. Technisch umgesetzt hat der 30-jährige Forscher dies mit "interdigitalen Elektroden", die fingerförmig auf dem Sensor aufgebracht werden. "Wir legen ein elektrisches Feld an", erklärt Prof. Schöning, "aus dem Verlauf der Feldlinien können wir Rückschlüsse über den Zustand der Sporen und damit die Wirksamkeit des Sterilisierungsprozesses ziehen." Eine besondere Herausforderung lag darin, die Sporen stabil an die Sensoroberfläche zu binden, um verlässliche Messungen durchführen zu können.

Der 30-Jährige stammt aus Monterey in Mexiko. Er kam 2012 an den Campus Jülich der FH Aachen, um den Master Biomedical Engineering zu studieren. Nach dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums 2015 nahm er eine Doktorandenstelle am INB an. "Es hat einfach alles zusammengepasst", erzählt er. Nach Abschluss seiner Promotion will er weiter in der Forschung arbeiten, derzeit sieht er sich nach einer Post-Doc-Stelle um.

Bei seiner Forschungsarbeit profitierte Julio Arreola von der guten Ausstattung des INB – zum Einsatz kamen sowohl das Rasterelektronenmikroskop als auch das Rasterkraftmikroskop. Auch diese Promotion wurde von Prof. Schöning und Prof. Keusgen betreut. Als weitere Prüfer waren Prof. Dr. Moritz Bünemann (Pharmakologie und Klinische Pharmazie, Philipps-Universität Marburg) und Prof. Dr. Johannes Bongaerts (INB, FH Aachen) bei der erfolgreichen Disputation anwesend. Gefördert wurde das Promotionsvorhaben von Dr. Arreola durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Neben den bisher 21 abgelaufenen Promotionsprojekten am INB laufen derzeit sieben weitere. Die Bedingungen sind allerdings in den aktuellen Forschungsarbeiten schwierig. "Wir arbeiten wegen der Coronavorschriften mit einer Notbesetzung", sagt Prof. Schöning. Bei Praktika und Vorlesungen seien ebenfalls hohe Hürden zu überwinden. Für Johanna Pilas und Julio Arreola heißt es also erstmal warten – hoffentlich bekommen sie bald ihren Doktorhut und die verdiente Abschiedsparty!