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„Schlechte Laune ist ein Fremdwort“

Thomas Thiessen über sein Auslandssemester in Indonesien


Thomas Thiessen ist 25 Jahre alt und studiert Biotechnologie im Master an der FH Aachen. Nach zwei Semestern am Campus Jülich zog es ihn in die Ferne; konkreter: nach Indonesien. Mit Hilfe von Prof. Dr. Gereon Elbers bewarb er sich an der Brawijava Universität – einer Partneruniversität der FH Aachen – gelegen im Südosten der Insel Java. Prof. Elbers hat diese Partnerschaft ins Leben gerufen und war schon selbst einige Male in Indonesien. So konnte er Thomas vor der Abreise zahlreiche Tipps und viel Unterstützung in der Vorbereitung bieten – und steckte ihn schließlich mit seiner Liebe für das Land an. Thomas ist nochmal gedanklich zurück nach Indonesien gereist und nimmt uns in seinem ganz persönlichen Erfahrungsbericht mit:

Meine Zeit und das Studieren in Jülich habe ich sehr genossen, und nachdem ich meinen Bachelor relativ schnell absolviert hatte und der Master auch dem Ende nahte, wollte ich mich der nächsten Herausforderung stellen. Ein Auslandssemester wäre perfekt, um dem gewohnten Studienalltag zu entfliehen. Ich informierte mich zuerst im Internet, schaute aber nach kurzer Zeit im Auslandsamt am Jülicher Campus vorbei, um mehr zu erfahren. Ein guter Freund und Studienkollege kam mit dorthin und begleitete mich sogar später auf der Reise nach Indonesien. Im Auslandsamt hat uns Katherine Stone empfangen. Sie war sehr engagiert, und hat uns bestens über die verschiedenen Länder,  die Finanzierung oder die Bewerbung an Universitäten beraten. Beiläufig erwähnte sie, dass wir für unseren Studiengang eine Kooperation mit einer Universität in Indonesien hätten, die von Prof. Dr. Gereon Elbers ins Leben gerufen wurde. Sie empfahl uns, bei ihm vorbeizuschauen.

Also schrieb ich Prof. Elbers eine E-Mail, und eine Woche darauf hatte ich einen Termin bei ihm Büro. Nach einem kurzen Kennenlernen in seinem Büro fingen wir auch schon an, über den Aufenthalt in Indonesien zu sprechen. Da seine Frau aus der Stadt Malang kommt, in welcher die Partner-Universität liegt, besucht er das Land regelmäßig. Er erzählte mir mit solch einer Faszination von der Kultur, dem Essen und der Natur des Landes, zeigte mir Fotos von dort, von denen ich nicht glauben konnte, dass er sie selbst geschossen hatte, sodass ich den Eindruck bekam, dass dort eine andere Welt läge. Das Gespräch mit ihm hatte mich gepackt. Dancah wusste ich: InIndonesien will ich mein Auslandssemester verbringen. Nach einer Woche Bedenkzeit begannen auch schon die ersten Vorbereitungen für die Reise.

Die Vorbereitungen starten: Von der Finanzierung über Impfungen bis zur Bewerbung
 
Um die Vorbereitungen einmal grob aufzuzählen: Zunächst musste ich sehen, wie ich die Reise finanziere, musste ein Visum und einen neuen Reisepass beantragen, mich bei der Universität bewerben und mich gegen unzählige Krankheiten impfen lassen. Die wohl wichtigste Frage zuerst: Wie konnte ich die Reise finanzieren? Die Auswahl lag zwischen dem Beantragen von Auslands-BAföG und dem Bewerben um ein Stipendium. Wenn man schon vorher BAföG berechtigt war, ist es auch sehr wahrscheinlich, dass man Auslands-BAföG bekommt. Doch eine Beantragung lohnt sich auch für diejenigen, die zuvor in Deutschland kein BAföG erhalten haben, da für das Ausland noch einmal andere Regeln der Förderung gelten. Zudem ist es möglich, sich bei einigen Instituten für ein Stipendium zu bewerben. Dies sollte so früh wie möglich geschehen, da der Bewerbungsprozess langwierig sein kann. Ich selbst habe nur Auslands-BAföG beantragt, da man damit in Indonesien finanziell ziemlich gut versorgt ist. Es wurden die Kosten für den Flug und die Krankenversicherung übernommen und zudem habe ich jeden Monat einen bestimmten Betrag für die Lebensunterhaltskosten erhalten.

Für die Impfungen hatte ich mich vorher bei einem Tropenmediziner beraten lassen. Je nach Versicherung werden die Impfkosten für Studienzwecke komplett übernommen, was bei mir glücklicherweise der Fall war. Mit den Impfungen sollte man so früh wie möglich beginnen.

Auch das Bewerben an der Uni und das Beantragen des Visums stellte sich als sehr langwierig heraus. Die indonesische Bürokratie ist nicht gerade für ihre Schnelligkeit bekannt, und so kann der ganze Prozess mit allen anderen Vorbereitungen bis zu einem halben Jahr dauern. Ich hatte das Glück, dass mich Prof. Elbers und Frau Stone tatkräftig bei den Vorbereitungen unterstützt haben, wodurch der ganze Prozess angenehmer wurde. Nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, konnte die Reise losgehen.

Ein Campus unter Palmen

Das Leben an der Partneruni stellte sich als relativ entspannt heraus. Der Campus an der Universität Brawijava ist riesig und erinnert eher an ein Resort als an einen Campus. Zudem ist die Universität Brawijaya mit über 70.000 Studierenden die größte Universität Indonesiens. Alles ist sehr grün, überall sieht man Palmen, Bäume oder andere tropische Pflanzen mit exotischen Früchten. Es führen viele Straßen durch den Campus, um mit dem Roller die unterschiedlichen Gebäude schnellstmöglich erreichen zu können. An unserem ersten Tag wurden wir von Studierenden abgeholt und zum Campus gefahren.

Forschungsprojekt: Biomedizin in Indonesien

Nach einer kleinen Kennenlernrunde wurden uns alle Forschungsgruppen und Labore gezeigt, und daraufhin konnten wir der Gruppe beitreten, dessen Thematik uns am besten gefallen hat. Wir entschieden uns für den imunologischen Bereich und traten einer Studierendengruppe bei, die daran forschte, mittels eines Grases, welches in den lokalen Wäldern wächst, den Zelltod in verschiedenen Krebszellarten auszulösen. Wir arbeiteten dort an der MIPA Fakultät mit der Arbeitsgruppe von Prof. Widodo. Die Medizin ist in Indonesien allgemein sehr stark an die Pflanzenheilkunde angelegt und so auch die Forschung an der Uni. Das Projekt wurde in zwei Versuchsdurchführungen aufgeteilt, bei dem der erste Teil aus Tierversuchen an Mäusen bestand und der zweite Teil aus Versuchen an Zellkulturen im Labormaßstab. Um einen kleinen Überblick über die Labore und deren Gerätschaften zu erhalten, gab man uns zu Beginn eine kleine Einführung.

Vor allem die Studierendengruppe, mit der ich arbeiten durfte, steckte viel Zeit in das Projekt und versuchte uns so gut es ging, deren Methoden beizubringen, nahm aber auch gerne Ratschläge zu Arbeitsweisen von uns an. Nach einigen Meetings und Diskussionen zur Versuchsplanung mussten wir alle Materialen für den Versuch beschaffen. Die erste Durchführung gelang mehr oder weniger ohne Probleme, nur die ersten Ergebnisse zeigten nicht den erhofften Erfolg. In Literaturwerten konnte das Gras zu einem bestimmten Prozentteil den Zelltod in Krebszellen auslösen. Bei unseren Ergebnissen gab es nur geringfügige Unterschiede zu den Kontrollwerten. Beim zweiten Versuch sahen die Ergebnisse ähnlich aus. Da wir mit Zellkulturen arbeiteten, geschah ein Großteil des Versuchs unter einer Sicherheitswerkbank. Ich selbst hatte bereits Erfahrung mit dem sterilen Arbeiten unter Werkbänken und teilte mein Wissen zu Arbeitstechniken in deutschen Laboren durch kleine Vorträge zu den Grundlagen der Zellkultivierung und gab ein paar praktische Kurse zum Ausführen der Theorie. Die Studierenden vor Ort nahmen meine Tipps gerne an, und nach einer gewissen Einarbeitungsphase begannen wir mit den Versuchen. Zunächst extrahierten wir die Wirkstoffe aus dem Gras und verabreichten diese unseren Zellkulturen. Nach einigen Tagen nahmen wir Proben und analysierten den Verlauf der Wirkung der Extrakte. Nach ausgiebiger Auswertung konnten wir keine signifikant positiven Unterschiede bei der Wirkung der Extrakte nachweisen. Dennoch war es eine großartige Erfahrung und Herausforderung dort zu arbeiten. Durch die unterschiedliche Labor-Mentalität und Arbeitsweise lernt man enorm dazu und wächst an sich selbst. Es macht unheimlich viel Spaß mit den indonesischen Studierenden Zeit zu verbringen und sich in anderen Bereichen weiterzuentwickeln. Alle sind ständig gut gelaunt, man unternimmt Ausflüge zusammen, besucht Übernachtungsfeiern in der Uni, um am nächsten Morgen gemeinsam weiter an dem Versuchen zu arbeiten. Ständig kommt es zu neuen Problemen, die man immer besser und kreativer bewältigen kann. Nachdem ich dort mehr oder weniger mit den Projekten fertig war, widmete ich meine verbleibende Zeit dem Reisen.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Auf Reisen in Indonesien

Obwohl die Luftfeuchtigkeit in Indonesien extrem hoch ist, war das Wetter angenehmer als gedacht. Dadurch, dass Malang eher höher gelegen ist, herrschen das ganze Jahr über angenehme 20 bis 26 Grad Celsius. In anderen Städten mit höheren Temperaturen war die Luft zu Beginn immer recht erdrückend, aber selbst daran habe ich mich nach kürzester Zeit gewöhnt und konnte vor allem nachts die warmen Temperaturen genießen. Zu Beginn kamen wir bei Freunden von Prof. Elbers‘ Frau unter. Die Familie von Agnes hatte ein recht großes Haus mitten in der Stadt von Malang, und ich bekam sogar mein eigenes Zimmer mit einer eingebauten Klimaanlage. Die Menschen in Indonesien sind allgemein für ihre Gastfreundlichkeit bekannt und dies bestätigte sich auch dort. Täglich gab es verschiedene traditionelle indonesische Speisen frisch zubereitet. Es wird nicht zwischen Frühstück, Mittag- oder Abendessen unterschieden, zu jeder Tageszeit gibt es meist Reis mit etwas Frittiertem oder lokalem Gemüse. Es gibt zudem unzählige Varianten an gebratenem Reis oder Nudeln, die nicht mehr als einen Euro in den Straßenläden kosten. Entweder lässt man sich das Essen für umgerechnet ein paar Cent nach Hause liefern oder man holt sich seine Portion in einem Warung, einem kleinen Straßen-Verkaufsstand. Warungs sind kleine Wägen, die entweder mit der Hand oder mit einem Roller herumgefahren werden können. Das Essen ist dort noch günstiger als in den Restaurants, schmeckt auch meist besser, und dazu kommt man leicht mit den Einheimischen ins Gespräch.

Von der Mentalität der Einheimischen

Die Menschen in Indonesien waren für mich ein wahres Highlight. Schlechte Laune ist für Indonesierinnen und Indonesier ein Fremdwort. Meistens lächeln sie und freuen sich darüber, mit Menschen aus westlichen Ländern zu unterhalten. Viele haben noch nie das Land verlassen oder jemals mit Menschen aus anderen Ländern gesprochen, daher wollten sie häufig Fotos mit mir machen. Abseits davon sind die Gespräche stets von sehr viel Humor geprägt. Die absoluten Lieblingsthemen sind dabei Religion, Familie und Familienstatus. Daher kommt es immer gut an, ein paar Familienbilder dabei zu haben, die konnte ich jederzeit prima als ,,Ice Breaker“ nutzen.

Religion in Indonesien

Es ist zudem für die meisten Indonesierinnen und Indonesier unvorstellbar, keiner Religion zugehörig zu sein. Selbst beim Einchecken am Flughafen war die erste Frage, die mir gestellt wurde, welcher Religion ich angehöre. Offiziell vertritt der Staat die Philosophie der ,,Pancasila“. Übersetzt steht es für die „Fünf Prinzipien“ (Sanskrit). Nach dem Gesetz der ,,Pancasila“ muss jede Staatsbürgerin und jeder Staatsbürger einer der fünf großen Weltreligionen angehören. Dadurch kommt es zu einer hohen Vielfältigkeit an Religionszugehörigkeiten und kulturellen Ereignissen, was sich auch bei den Feiertagen bemerkbar macht. So haben alle beispielsweise an Ramadan und Weihnachten, gleichermaßen frei. Dennoch ist der Großteil der Bevölkerung muslimisch geprägt. Mit 87 Prozent ist Indonesien das Land mit den meisten Musliminnen und Muslimen - so auch in Malang. In jeder Ecke der Stadt gibt es Moscheen, viele der Frauen tragen Kopftücher und die Männer oftmals längere Kleidung. So gut wie jedes Fleisch, das dort verkauft wird, ist Halal (Übers. "rein", "erlaubt") und fünf Mal am Tag ertönen Lautsprecherdurchsagen, die zum Gebet aufrufen. In den meisten öffentlichen Gebäuden gibt es Gebetsräume, und in der Universität werden für die Gebetszeiten extra Pausen eingelegt. Zu Ramadan pausiert die Uni für einen Monat und auch die Straßen werden leerer. Vom Fasten waren viele tagsüber sehr müde, blieben ganz Zuhause und trafen sich erst nachts gemeinsam zum Essen. Wir wurden oft von Freundinnen und Freunden zum nächtlichen Essen eingeladen. Die am Tage so leeren Straßen füllten sich dann mit unzähligen Straßenläden mit verschiedenen Gerichten, und so verbrachten wir die Nächte damit, das Essen der Warungs zu probieren.
Die Straßen selbst sind abgesehen von Ramadan allgemein extrem voll. Es gibt selten Wege für Fußgänger, und die Straßen sind voll mit Auto und Rollerfahrern. Verkehrsregeln scheinen dort auf den ersten Blick auch nicht zu existieren. Bei Grün wird gefahren, bei Rot wird zuerst geguckt und dann ebenfalls gefahren. Ampeln für Fußgängerinnen und Fußgänger werden meist komplett ignoriert, und jeder versucht zu überholen, wen er nur kann. Nach ein paar Fahrten mit dem Roller merkt man aber, dass es doch gewisse inoffizielle Regeln gibt. Es wird ständig gehupt, um zum Teil die anderen zu warnen, aber auch, um anzugeben wo man hinfahren möchte. Dadurch achtet jede und jeder eher darauf, niemanden zu überfahren, als sich an direkte Regeln zu halten. Wenn man die Straße als Fußgänger überqueren möchte, versucht man mit ausgestreckter Hand rüber zu gehen und die Roller und Autos fahren bestenfalls um einen herum.

Zwischen Regenwald, Wasserfällen und glasklarem Meerwasser

In Indonesien konnte ich wirklich günstig reisen. Ich benutzte oft den Bus, um für umgerechnet 10 Euro nach Bali zu fahren und bewegte mich dort überwiegend mit dem Roller oder per Taxi fort. Um auf andere Inseln zu kommen, buchte ich Fahrten auf Fähren oder Schnellbooten. Indonesien bietet zudem eine vielfältige Natur. Im ersten Moment bewegst du dich durch einen Regenwald mit Affen, Wasserfällen und Lichtungen voll mit Schmetterlingen, und im anderen Moment bist du am Strand mit glasklarem Wasser, Surf-Möglichkeiten und kleinen Strandbars. Auf den Inseln Java und Bali sind unzählige buddhistische und hinduistische Tempel verteilt. Vulkane gibt es auch auf jeder Insel zu sehen. Kulturell unterschiedet sich Indonesien von Region zu Region. Inseln wie Bali zum Beispiel sind überwiegend hinduistisch geprägt, und dadurch unterscheidet sich die Architektur, Mentalität und Kleidung sowie die Bräuche von anderen Inseln. Märkte mit regionalen Früchten, die ich vorher noch nie gesehen hatte, gibt es auch unzählige. Meine letzte Reise verbrachte ich auf den Gillis, winzig kleinen Inseln, die man mit dem Fahrrad innerhalb einer Stunde umfahren kann. Autos und Roller sind dort verboten, und so konnte ich auch mit Pferdekutschen die Insel entdecken. Danach endete meine Reise, und ich flog zurück nach Deutschland. Zum Schluss kann ich sagen, dass ich die Reise nach Indonesien nur empfehlen kann, sei es als Auslandssemester oder als kurze Urlaubsreise. Dort habe ich wirklich die komplett andere Welt gefunden, von der Prof. Elbers mir erzählt hatte:  mit ihrer Vielfalt an Kultur und Natur, die ich bald möglichst wiedersehen möchte.