Details

Ein Auslandsjahr im "Rom des Nordens"

BWL-Studentin Sabrine Gibowski macht einen Doppelabschluss an der FH und der Wirtschaftsuniversität Krakau

Wer durch das Portal der Uniwersytet Ekonomiczny w Krakowie (Wirtschaftsuniversität Krakau) schreitet, sieht hinter einer großen Linde auf dem Vorplatz das prächtige Hauptgebäude der Hochschule – einer Hochschule, die mehr als 20 000 Studierende hat und sich international eines guten Rufes erfreut. Wer aber etwa als Austauschstudierender zu Sylwia Rutkowska und ihren Kolleginnen vom International Programmes Office möchte, muss sich erst mal nach rechts wenden. Dort nämlich steht das Stróżówka-Gebäude – zu Deutsch: die alte Hausmeisterwohnung. Mit geringer Wertschätzung hat das aber nichts zu tun; die internationalen Beziehungen haben einen großen Stellenwert für die 1925 gegründete UEK, sie unterhält Kooperationen mit 190 Hochschulen weltweit. Seit 2013 gibt es einen gemeinsamen Doppelabschluss mit dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der FH Aachen. Sylwia Rutkowska koordiniert das Austauschprogramm für die UEK, auf Seiten der FH Aachen trägt Prof. Dr. Hans Mackenstein die Verantwortung.

Sabrine Gibowski ist die erste Studierende, die für ein Jahr von der FH an die Krakauer Universität geht, um dort zu studieren. Seit Mitte September ist sie dort, am Ende ihres zehnmonatigen Aufenthalts steht die Bachelorarbeit, mit der sie dann den Abschluss an beiden beteiligten Hochschulen erwirbt. Die 24-Jährige studiert International Business Studies, ein Bachelorstudiengang, der den Studierenden mit seiner praxisorientierten internationalen Ausrichtung die Tür zu einer Laufbahn in großen Unternehmen und Institutionen öffnen soll. Doppelabschlüsse sind mit zahlreichen Hochschulen möglich, in Europa, den USA und Australien, unter anderem in Rennes (Frankreich), Östersund (Schweden), Coventry, London, Huddersfield (alle Großbritannien), der Tennessee Tech University (USA) und der University of the Sunshine Coast (Australien).

Die Eingewöhnung in Krakau ist Sabrine Gibowski leichtgefallen. Geholfen hat dabei der enge Kontakt mit anderen Austauschstudierenden, aber auch mit den polnischen Kommilitoninnen und Kommilitonen. Sprachlich findet sie sich gut zurecht: Sie selbst ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, ihre Eltern stammen aber aus Polen. „Krakau ist eine wunderschöne Stadt“, betont sie, „hier kann man Studium und Freizeit ideal kombinieren.“

Vom Campus der UEK an der Rakowicka-Straße sind es nur ein paar Minuten zu Fuß bis in die Krakauer Innenstadt – vorbei am Bahnhof, durch den ringförmigen Park, der die historische Altstadt umgibt („Planty“), das Florianstor und die Freiluftgalerie der Straßenkünstler passierend, bis zum Rynek Główny, dem Hauptplatz mit Marienkirche, Rathausturm und Tuchhallen. „Die Stadt ist unser größter Trumpf“, sagt Sylwia Rutkowska. Krakau ist ebenso von einer quirligen Kunst- und Kulturszene geprägt wie von einer reichen Geschichte. Das Rom des Nordens wird es genannt, der zahlreichen, kulturhistorisch überaus wertvollen Kirchen wegen. In der Marienkirche findet sich ein wunderschöner Hochaltar von Veit Stoß aus dem 15. Jahrhundert, die gotische Franziskanerkirche wurde im späten 19. Jahrhundert von dem Jugendstilkünstler Stanisław Wyspiański komplett umgestaltet – gekrönt von einem großartigen Glasfenster im Chorraum.

Und auch historisch gibt es Parallelen zwischen Aachen und Krakau: Beide Städte waren im Mittelalter über Jahrhunderte hinweg der Ort, wo die Könige gekrönt wurden. Das Königsschloss Wawel, auf einem Hügel zwischen der Innenstadt und der Weichsel gelegen, erinnert noch heute auf überaus beeindruckende Weise an die Zeit, als Krakau nicht nur das kulturelle, sondern auch das politische Zentrum Polens war.

Polen blickt auf eine Geschichte zurück, die so wechselvoll wie in keinem anderen europäischen Land war – zumal im 20. Jahrhundert. Während des Zweiten Weltkriegs wählte die Besatzungsmacht, das nationalsozialistische Regime, Krakau als Hauptstadt des sogenannten Generalgouvernements aus. Von seinem Amtssitz auf dem Wawel aus koordinierte Hans Frank (der „Schlächter von Polen“) die Judenvernichtung in Mittelosteuropa. Bei ihrem Vormarsch in Richtung Westen im Januar 1945 kam die Rote Armee so schnell voran, dass die Nazis die Pläne zur Zerstörung Krakaus nicht mehr umsetzen konnten – die Stadt blieb weitgehend unbeschädigt. Ähnlich war es in den vier Jahrzehnten im Schatten des Sowjetimperiums, als das katholisch-konservative Krakau von den architektonischen „Wohltaten“ der Kommunisten verschont blieb.

Heute ist Krakau eine boomende Stadt – nach Angaben des World Investment Report 2011 der UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) ist sie weltweit der aufstrebendste Standort für Investitionen in Innovationen. Gerade für junge Betriebswirtschaftler, die an der Schnittstelle zwischen Mittel- und Osteuropa arbeiten wollen, ist Krakau ein vielversprechender Ort: „Die Karrierechancen hier sind sehr gut“, betont Sylwia Rutkowska. Erst recht mit einem Doppelabschluss in der Tasche.