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"Das Anders gehört zu mir"

Studentin Veronique Kouchev schreibt ein Buch über ihren Asperger-Autismus

Studentin Veronique Kouchev stellt ihr Buch bei einer Lesung in der Nadelfabrik Aachen vor. Innerhalb ihres Buches finden sich ihre eigenen Illustrationen. Foto: FH Aachen l Sascha Halabut; Illustration: Veronique Kouchev


Veronique hat einen ständigen Begleiter: Anders. Wie ein "kleiner, unsichtbarer Geist, der immer da ist", erklärt sie und fährt fort: "Anders ist wie ein Arm oder ein Bein, das halt nicht ohne mich existieren kann". Anders ist also immer da, er geht nicht weg. Manchmal ist Anders dafür verantwortlich, dass es Veronique nicht gut geht. Dann hat sie Verlustängste, nimmt sehr viele verschiedene Geräusche wahr, oder es geht ihr alles zu schnell, ist zu viel. Aber manchmal hat die Anwesenheit von Anders auch positive Einflüsse auf Veroniques Leben. Dann nimmt sie mit ihren Sinnen alles viel intensiver wahr – Geräusche, Gerüche, Geschmack, Gesehenes. "Ich bin ein extremer Mensch. Bei mir liegen Glück und Trauer nah beieinander", erklärt sie.

"Anders" ist in Veroniques Leben ihr personifizierter Asperger-Autismus. Dass sie selbst "anders" ist, bekommt Veronique schon früh zu spüren: Viele Menschen verstehen sie nicht, in der Schule leidet sie unter Mobbing. Mit 17 erhält sie die Diagnose: Sie hat Asperger-Autismus. "Ich war sogar froh, als ich die Diagnose erhielt. Vorher habe ich die Probleme oft nicht gesehen. Aber mit der Diagnose wollte ich die Dinge ändern." Aber was ist das überhaupt? Der Begriff ist geläufig, und dennoch stellte Veronique häufig fest, dass viele Menschen um sie herum oft gar nicht so genau wissen, was es bedeutet, wenn jemand Asperger-Autismus hat. Und das will sie ändern.  

Veronique schreibt sich für ein Studium des Kommunikationsdesigns am Fachbereich Gestaltung der FH Aachen ein: "Autisten haben häufig Probleme in der Interaktion mit anderen Menschen, besonders in der Kommunikation. Diesen Bereich wollte ich für mich angehen und meine Fähigkeiten verbessern. Außerdem konnte ich in dem Studium meine Interessen Design und Kunst verbinden. Auf einem Infotag der Hochschule hörte ich einen Vortrag von Frau Prof. Vitting am Fachbereich und dachte mir: So möchte ich auch vor Leuten reden können."  Vero, so ihr Spitzname, stellt sich also ihren Ängsten und tut das, was ihr am schwersten fällt: Sie kommuniziert ohne Ende. "Menschen können sich nicht entwickeln, wenn sie nicht mit anderen Menschen in Kontakt treten. Man muss den harten Weg gehen und sich sozialisieren. Denn kein Mensch ist gern alleine, auch Autisten nicht."

Und Veronique macht noch mehr, um mehr Verständnis für sich und andere zu erlangen: Während ihres Studiums dreht sie mit Kommilitoninnen und Kommilitonen einen Film über Asperger-Autismus. Der Film wurde in der Showtime gezeigt, dabei handelt es sich um ein festes Format des Fachbereichs, um den Filmstudierenden die Leinwand zu bieten, ihre erarbeiteten Projekte einem ersten größeren Publikum zu präsentieren. Über ihre Diagnose und ihr Leben spricht die mutige Studentin auch in zwei Beiträgen des Westdeutschen Rundfunks. "Seitdem haben immer mehr Leute an der Hochschule Verständnis für mich", erklärt die 26-Jährige. Und außerdem bewirkt sie auch etwas: "Viele Autisten sprechen oder schreiben mich über meine Social Media-Accounts an. Dann tauschen wir uns aus".

Und neben dem Verständnis durch andere, möchte sie auch Mut zusprechen, indem sie ihre Geschichte teilt. Das macht sie durch die Veröffentlichung ihres ersten Buches "Das Anders gehört zu mir", das Anfang April dieses Jahres erschienen ist. Das Skript hatte sie schon lange in der Schublade; umso mehr war es also ein passender Zufall, als sie ein Verlag ansprach, ob sie ihre Geschichte aufschreiben möchte – die Basis dazu stand schon. Darüber hinaus hat Veronique auch die Illustrationen im Buch selber angefertigt. Die positive Message ihres Buches: "Egal was du hast, du kannst die Dinge angehen, die du erreichen möchtest. Gib nie auf und kämpfe für deine Träume."

Veronique macht Mut. Nicht umsonst nennt ihr Freund sie auch "Vefroh" – und warum dieser Name so passend ist, wird in einem Gespräch mit ihr nach nur wenigen Minuten klar. Veronique strahlt, sie sprudelt förmlich vor Ideen und erzählt fröhlich, hin und wieder auch mit sentimentalen Zwischentönen, ihre Geschichte. Aber stets zuversichtlich und guten Mutes. Veronique hat für sich und ihr "Anders" eine gute Erklärung gefunden. Nicht sie selbst ist anders, sondern nur ein Teil von ihr, der ihre Wahrnehmung, manchmal positiv, manchmal negativ – beeinflusst. Und das ist okay, manchmal sogar besonders schön: "Dadurch, dass ich viel mehr wahrnehme und nicht filtern kann, habe ich super viel im Kopf. Das triggert die Kreativität in mir, so habe ich immer Ideen – dann nehme ich mir direkt den Stift zur Hand und kritzle los."