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Und am Ende regnet es Konfetti

Jessica Ulmer promoviert zum Thema Personalisierung der industriellen Produktion

Stress, Druck, Ärger – das Thema Arbeit ist für viele Menschen erst einmal negativ besetzt. Die Anforderungen steigen, ebenso die Komplexität. Viele Menschen investieren einen guten Teil ihrer Lebenszeit in die Arbeit und möchten ihren Job so gut wie möglich machen. Wie aber kann eine Arbeitsumgebung aussehen, die nicht nur optimale Bedingungen für jeden einzelnen bietet, sondern auch Anreize schafft und die Motivation erhöht? Genau das hat Jessica Ulmer in ihrer Doktorarbeit für den Bereich der industriellen Produktion untersucht.

Anpassung an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden

Die 28-Jährige hat am Institut für angewandte Automation und Mechatronik (IaAM) der FH Aachen in Kooperation mit dem Royal Melbourne Institute of Technology (RMIT) promoviert. Das IaAM hat sich der Erforschung innovativer Fertigungsmethoden im Maschinenbau verschrieben. "Ich habe in den letzten Jahren ein Assistenzsystem entwickelt, das jeweils an die Mitarbeitenden angepasst werden kann", erklärt Dr. Jessica Ulmer. In der Praxis sieht das so aus, dass ein vernetztes System aus Sensoren und Kameras an dem jeweiligen Arbeitsplatz erfasst, wo die Mitarbeitenden hingreifen, welches Werkzeug sie nehmen und ob der Arbeitsschritt richtig ausgeführt wird. Auf dieser Basis erhalten die Mitarbeitenden individuell Unterstützung.

"Meine Forschung beschäftigt hauptsächlich mit der Software, die alles steuert", sagt die Nachwuchswissenschaftlerin. Dieses "Hirn", wie sie es nennt, ist nicht nur auf unterschiedliche Arbeitsplätze anwendbar, es kann auch mit Augmented Reality (also etwa Brillen, die die Mitarbeitenden unterstützen) kombiniert oder sogar komplett in die Virtuelle Realität übertragen werden. "Das war während der Coronapandemie sehr praktisch", sagt sie, so habe sie auch in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen ihre Forschungsarbeit fortsetzen können.

Anreizsystem wie bei Computerspielen

Der Clou des Systems ist, dass die Unterstützung der Nutzer:innen über die reine Technik hinausgeht. "Wir haben ein Anreizsystem entwickelt, das vergleichbar mit Computerspielen ist", erläutert sie. So gibt es etwa Levels, die sich am individuellen Wissensstand ausrichten. "Am Anfang wird jeder einzelne Schritt erklärt", sagt sie, "in höheren Levels wird mehr vorausgesetzt." Wer eine Stufe höhersteigt, wird mit einem virtuellen Konfettiregen belohnt.

Eine Sache ist Jessica Ulmer wichtig: Das System erlaube es Unternehmen nicht, einzelne Mitarbeitende in einen Wettkampf gegeneinander zu schicken – das Anreizsystem solle vielmehr dazu dienen, Motivation für eigene Verbesserung zu schaffen. "Die Frage ist: Welcher Grad an Wettbewerb ist förderlich? Und wann ist er eher hinderlich?", betont sie.  In zwei großen Studien hat sie insgesamt mehr als 100 Studierende gebeten, an einem Arbeitsplatz Gegenstände zu montieren, mit individueller Unterstützung und mit dem Anreizsystem. Ihre Bilanz fällt deutlich aus: "Mit dem Levelsystem ist der Lerneffekt messbar größer als ohne."

Motivation steigern

Im Rahmen ihrer Promotion hat sie das System kurz vor die Einsatzreife gebracht. Ab Oktober soll es im Eschweiler Unternehmen MVG einen Arbeitsplatz geben, der entsprechend ausgestattet ist. Johannes Hug, der neue Doktorand am IaAM, wird die Einrichtung und den Betrieb im Rahmen seiner Forschungsarbeit koordinieren. Jessica Ulmer freut sich auf die Daten, die in diesem Rahmen gewonnen werden: "In der Forschung gibt es nur wenig Daten zu diesem Thema, damit haben wir Neuland betreten." Zugleich sei der Bedarf in der Industrie überaus hoch. "In Zeiten des Fachkräftemangels ist es für Unternehmen sehr wichtig, die Motivation der Mitarbeitenden zu steigern und neue Kolleg:innen schnell einzuarbeiten", betont sie.

Promotion in Kooperation mit dem RMIT

Für ihre Promotion hat Jessica Ulmer rund fünf Jahre gebraucht. Ihr Weg zu einer Forschungskarriere im Bereich Maschinenbau war nicht vorgezeichnet – in der Schulzeit kam sie mit ingenieurwissenschaftlichen Themen nicht in Berührung. Über ein duales Studium fand sie den Weg in den Bereich Mechatronik, für den Master an der FH entschied sie sich, weil er als Dual Degree mit der Universität Queretaro (Mexiko) angeboten wurde. Über ihr Engagement in Forschung und Lehre rutschte sie schließlich in die Promotion – "ich wusste früher gar nicht, dass man an einer FH auch promovieren kann", sagt sie. Dabei war die Promotionszeit mit einigen praktischen Hürden verbunden: "Wir waren zu den Seminaren am RMIT zugeschaltet. Die fanden in Melbourne tagsüber statt, das war bei uns dann von 2 bis 5 Uhr morgens."