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Vom Studierendenprojekt zum Unternehmen

Das Projekt physiosense erhält ein EXIST Gründerstipendium

Verspannungen, Hexenschuss, Bandscheibenvorfall: Fast jeder litt schon einmal unter Rückenschmerzen. Neben den Folgen für die Betroffenen verursacht ihre Behandlung  enorme Kosten im Gesundheitssystem. Ein Großteil der Rückenbeschwerden wird durch falsches Sitzen verursacht, was auf Grund der immer länger werdenden Lebensarbeitszeit in vielfacher Hinsicht zu einem Problem werden kann. "Angesichts des demografischen Wandels steigt das Interesse an Präventionsmaßnahmen enorm, sowohl von Seiten der Krankenkassen als auch von Seiten der Arbeitgeber", sagt Tim Host. Aus diesem Grund entwickelte er gemeinsam mit seinen Kollegen der FH Aachen und RWTH ein Konzept, das genau diese Marktlücke füllt: eine Kombination aus innovativem Bürostuhl und betreuter Präventionsmaßnahme.

Tim Host hat im September 2015 seinen Bachelor in Mechatronik an der FH Aachen abgeschlossen und leitet nun die Produktentwicklung beim angehenden Startup-Unternehmen physiosense. Das Team von physiosense besteht aus fünf FH- und RWTH-Absolventen, die ganz Unterschiedliches studiert haben. So arbeiten Fachleute aus Mechatronik, Automatisierungstechnik, Wirtschaftsingenieurwesen, Physiotherapie und Medizin an diesem gemeinsamen Projekt.

"Der Schwachpunkt konventioneller Präventions- und Behandlungsmaßnahmen liegt in der mangelnden Erfassung individueller Ursachen für das jeweilige Leiden", meint Host. So bleibe eine erfolgreiche Langzeitwirkung meist aus. Diesem Problem begegnet physiosense mit seinem intelligenten Bürostuhl. Anhand einer hochauflösenden Sensorik in Sitzfläche und Rückenlehne mit 512 Messpunkten wird ein genaues Bewegungs- und Haltungsprofil des Anwenders an seinem Arbeitsplatz erstellt. Die aufgezeichneten Nutzerdaten werden kontinuierlich von Experten ausgewertet, was eine individuelle Einbindung des Anwenders in das Präventionskonzept ermöglicht. "Durch die Einbindung regional ansässiger Physiotherapeuten kann ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Anwender und Therapeut aufgebaut und genutzt werden", erläutert Host.

Langfristig habe man außerdem vor, mit Krankenkassen zusammenzuarbeiten. Eine Kooperation mit der Techniker Krankenkasse gibt es bereits. "Als nächster Schritt ist eine Pilotstudie geplant, bei der  15 Stühle getestet werden sollen", sagt Host. Danach hoffen die fünf angehenden Jungunternehmer auf einen baldigen Markteintritt ihres Unternehmens. Unterstützt werden sie dabei von einem Beraternetzwerk, das mit dem Gründerwettbewerb AC² ins Leben gerufen wurde.  In diesem Jahr zählt auch das Team von physiosense zu den Teilnehmern des Wettbewerbs, bei dem der beste Businessplan gewinnt. "Wir sind sehr dankbar für die großartige Unterstützung, die uns durch AC², aber auch vonseiten der FH, namentlich Prof. Dr. Kämper, Prof. Dr. van Laack und Frau Prof. Dr. Kranz-Opgen-Rhein, zuteilwird", bekräftigen die jungen Gründer. Als angehendes Unternehmen werde man in der Städteregion Aachen sehr gut an die Hand genommen und begleitet. Beste Voraussetzungen also für eine erfolgreiche Unternehmensgründung. Auch von Seiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erhält das Nachwuchsunternehmen Unterstützung: Ab Januar 2016 wird das Team von "physiosense" mit einem EXIST Gründerstipendium gefördert.

Das Projekt physiosense ist aus dem Studierendenprojekt ATLAS der FH Aachen entstanden. Damals arbeiteten die Projektteilnehmer unter dem Namen PhysioTeC an ihrem ersten Prototypen ATLAS (aktives trainierendes Lordosen-Adaptions-System). Das Team entwickelte eine Auflage für den Rückenbereich von Bürostühlen, welche mit Sensoren, Vibrationsmotoren und einem automatisch aufblasbaren Trainingsgerät ausgestattet war. Ziel war es, physiotherapeutische Rückenübungen für die selbstständige Ausführung in den Arbeitsalltag zu integrieren. Beim COSIMA Wettbewerb (Competition of Students in Microsystems Applications) erreichte das Team von physiosense den ersten Platz und bekam viel positives und konstruktives Feedback. Gleichzeitig erhielt das Team die Möglichkeit, das Produkt im internationalen Wettbewerb iCAN 2014 (International Contest of Application in Nano-micro Technology) zu präsentieren. Dabei konnte es wiederum eine Podiumsplatzierung erreichen, was eine Präsentation des Produktes auf der CES 2015 (Consumer Electronics Show) in Las Vegas ermöglichte. Auch dort stießen die Nachwuchsunternehmer auf reges Interesse und erhielten wertvolle Rückmeldung zu ihrem Produkt. "Das Projekt hat sich daraufhin im Laufe dieses Jahres weiterentwickelt. Wir haben den Grundgedanken vollständig  überarbeitet und in einer neuen Teambesetzung geschäftsfähig gemacht", so der betriebswirtschaftliche Leiter des Startups, Björn Lang.

Dank der Förderung durch das EXIST-Gründerstipendium ist für physiosense auch eine Vergrößerung des Teams möglich: Wer seine Bachelorarbeit im Bereich Softwareentwicklung oder Betriebswirtschaftslehre schreiben möchte, dem bietet physiosense die Chance dazu. Bei entsprechender Qualifikation freut sich das Startup über Interessentinnen und Interessenten, die sich unter der Mailadresse karriere@physiosense.de melden können.