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Die Rattan-Revolution

Das Startup "out for space" erfindet den Werkstoff neu

"Rattan? Das sind doch diese altmodischen Möbel, die früher mal in Mode waren." Wer das denkt, hat noch nichts vom Startup "out for space" gehört. Das junge, interdisziplinär aufgestellte Gründer-Team möchte dem Material Rattan, bekannt als Naturprodukt vor allem in der Möbelindustrie der 70er Jahre, neues Leben einhauchen. Mangelhafte Verarbeitung und minderwertige Qualitäten haben das Image des Naturprodukts leiden lassen. Julian Reuter, Produktdesign-Absolvent des Fachbereichs Gestaltung, ist Teil des fünfköpfigen Startup-Teams mit Sitz in Kißlegg (Allgäu). Gemeinsam wollen sie Rattan zu einem innovativen Werkstoff machen, aus dem man weit mehr als Sessel und Beistelltischchen bauen kann. Moderne Möbel, aber auch Spielzeug, Uhren und Leuchten haben sie bereits entworfen und hergestellt.

Kennzeichnend ist vor allem die poröse Struktur des Materials. Rattan wird aus der Rotangpalme gewonnen, die hauptsächlich in Indonesien wächst und bis zu 200 Meter lang wird. Feine, sehr langgestreckte Hohlräume durchziehen die Palme über ihre gesamte Länge; die Pflanze garantiert so den Wassertransport. Das Team von out for space nutzt diese Struktur, um Farbe in das Material einzubringen oder andere Stoffe, um die Optik, Festigkeit und Widerstandsfähigkeit zu verbessern. Noch laufen hier Experimente – unter anderem in Zusammenarbeit mit einem Fraunhofer Institut – die klären sollen, welche Stoffe für die jeweilige Anwendung besonders gut funktionieren ohne toxisch zu sein. Der poröse Querschnitt kann als Schall- oder Sichtschutz, aber auch als lichtdurchlässiges Material bei Leuchten eingesetzt werden. "Aufgrund seines geringen Gewichts und seiner Homogenität könnte der Werkstoff viele Produkte aus Plastik ersetzen", sagt Reuter.

Doch woher bezieht das Team den Rohstoff? "Tatsächlich wird 80 Prozent des Rohstoffs in Indonesien gewonnen; die Ausfuhr ist allerdings eingeschränkt, denn für das Land gehört der Anbau zu den wichtigsten Industriezweigen", sagt Reuter. Das junge Team kennt die Rahmenbedingungen vor Ort sehr gut; bereits mehrmals sind sie nach Indonesien geflogen, um Rattanplantagen zu besichtigen und mit Unternehmen vor Ort eine Zusammenarbeit abzustimmen. Vor Ort wurden zunächst Prototypen, inzwischen aber auch erste Produkte in Serie, hergestellt. Rattan wird von Hand geerntet, zugeschnitten und geschält. Mit heißem Wasserdampf lässt sich das Material beliebig formen. out for space könnte also auch dazu beitragen, die Lebensgrundlage von Menschen in Indonesien abzusichern und nachhaltig etwas für die Umwelt zu tun, da Rattan nur in einem intakten Regenwald wächst.

Seinen ersten großen Erfolg konnte das Startup-Unternehmen auf der Mailänder Möbelmesse 2015 feiern. Nicht nur Möbelhersteller waren begeistert von den ersten Umsetzungen. "karuun®" – so hat out for space seinen neu entwickelten Werkstoff genannt und für Deutschland und Europa bereits das Patent erhalten –  wurde bereits mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, etwa dem "german design award 2016" in Gold, der als einer der wichtigsten Preise der Designszene gilt. Auch im Bereich Gründertum sind die jungen Männer erfolgreich. Der erste Erfolg war die Erteilung einer "Signo Patentförderung" (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), gefolgt vom "EXIST-Gründerstipendium" (Bundesministerium für Bildung und Forschung) sowie dem "Junge Innovatoren Förderprogramm". Der Erfolg gibt den Jungunternehmern Recht: "Wir stehen voll und ganz hinter unserem Produkt und wollen zeigen, dass es sich lohnt, in nachhaltige Ideen zu investieren", konstatiert der Produktdesigner.