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Über Gott und die Welt

Kanzelrede von Prof. Dr. Marcus Baumann in der Christuskirche Jülich

Worüber spricht man, wenn man als Münsteraner Katholik, in einem konservativen Haushalt aufgewachsen, im 500. Jahr der Reformation in einer evangelischen Kirche eine Rede halten soll? Prof. Dr. Marcus Baumann, Rektor der FH Aachen, sprach bei seiner Kanzelrede in der Jülicher Christuskirche weniger über Gott und mehr über die Welt – schließlich ist der 61-jährige Münsteraner nicht nur Katholik, sondern auch Naturwissenschaftler. Er betrat in der Kirchenkanzel also gleich im doppelten Sinne unbekanntes Terrain.

Er verwies auf die Traditionslinien, die sich aus der Zeit der Reformation bis in die Gegenwart ziehen – auf die protestantischen Tugenden des Fleißes und der Sparsamkeit, vor allem aber auf das Thema Bildung. Martin Luther war es, der als "Junker Jörg" das Neue Testament ins Deutsche übersetzte und damit nicht nur breiteren Bevölkerungsschichten den Zugang zu den biblischen Überlieferungen ermöglichte, sondern auch sehr wesentlich zur Vereinheitlichung der deutschen Hochsprache beitrug. Es war ein bewegtes Zeitalter, ins späte 15. und frühe 16. Jahrhundert fallen die "Entdeckung" Amerikas und des Seewegs nach Indien, die Aufbruchstimmung der Renaissance und die Erfindung des Buchdrucks. "Das war damals eine ähnlich revolutionäre Änderung wie heute die Digitalisierung", meinte Prof. Baumann, "mit allen Vor- und Nachteilen". Luther war es auch, der sich für eine bessere Schulbildung aussprach, und zwar für Jungen und Mädchen gleichermaßen. "Know-how und Innovationsvermögen sind unsere Rohstoffe", sagte Baumann, daraus ergebe sich die klare Forderung nach "Bildung, Bildung, Bildung". Deutschland müsse als rohstoffarmes Land weit mehr in Bildung investieren als andere.

Die Rede von Prof. Baumann war die erste von drei Kanzelreden, die die Gemeinde in diesem Jahr veranstaltet. Die Idee ist, Externe einzuladen und sie zu bitten, einen Blick von außen auf Kirche, Christentum und Protestantismus zu werfen.