BA in Tienen, Belgien, 2014

Auf einen Blick

Wo, wer, wann

  • Was wurde im Ausland durchgeführt? Praktikum
  • Firmenstandort, Land: Tienen, Belgien
  • Homepage der Firma:
    Robert Bosch Produktie N.V. in Belgien, Abteilung Bosch Produktion System
  • Vorname und Name der Autorin: Jana Zimmer
  • Studiengang  an der FH Aachen, Fachbereich:
    Wirtschaftsingenieurwesen (B.Sc.), Fachbereich 8
  • Beginn und Ende des Auslandsaufenthalts: 01.03.2014 – 31.08.2014
  • Name des Betreuers der Projekt-/Bachelorarbeit an der FH:
    Prof. Schulte-Zurhausen

Kurzfassung

Im Rahmen meines Studiums "Wirtschaftsingenieurwesen" absolvierte ich von 01.03. bis 31.08.2014 ein sechsmonatiges Auslandspraktikum bei Robert Bosch Produktie N.V., einem Tochterunternehmen der Robert Bosch GmbH in Belgien.

Im Rahmen des Praktikums absolvierte ich mein Praxisprojekt und schrieb meine Bachelorarbeit (Thema: Konzeptionierung und Implementierung eines Nivellierungsmusters, abgestimmt auf die variantenreiche Serienproduktion eines Automobilzulieferers). Meine Bachelorarbeit habe ich mit einer sehr guten Note abgeschlossen - das Kolloquium bei Bosch wird mir unvergessen bleiben.

Vorbereitungen

Ich habe mich sehr frühzeitig auf das ausgeschriebene Praktikum beworben, nämlich bereits im Juni für Beginn im März. Das Stellenangebot fand ich über den Aushang der Auslandssemesterberatung in meiner Fachhochschule . Die Bewerbung verlief sehr unkompliziert, die Unterlagen sollten auf Deutsch eingereicht werden, ca. drei Wochen später erkundigte ich mich über meine Bewerbung und bekam ein positives Feedback. Eine Woche später hatte ich ein einstündiges Gespräch mit meinem Abteilungsleiter. Es dauerte fast 3 Monate bis ich meinen Vertrag erhalten habe.
Am Standort Tienen waren zu meiner Zeit bis zu 15 Praktikanten beschäftigt, die Möglichkeiten dort unterzukommen sind also recht gut. Bosch benötigte für seine Personalakten einen Versicherungsnachweis über die Krankenversicherung, eine Haftpflicht- und Unfallversicherung sowie eine Immatrikulationsbescheinigung für den gesamten Praktikumszeitraum.

Praktikumsland

Das Königreich Belgien ist ein Staat in Westeuropa. Belgien grenzt an  die Niederlande, Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Dieses Land gehört zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der heutigen Europäischen Union (EU), deren wichtigste Institutionen in der belgischen Hauptstadt Brüssel ihren Sitz haben. Zusammen mit den Niederlanden und Luxemburg bildet Belgien den Verbund der Benelux-Staaten.
Belgien ist seit 1830 unabhängig. Ihre parlamentarische Monarchie wurde 1831 durch die Verfassung besiegelt. Das Land ist in drei Regionen (Flandern, Wallonien, Brüssel) aufgeteilt.

Während meines Praktikums konnte ich die Zeit an den Wochenenden nutzen, um gemeinsam mit einigen anderen Praktikanten das Land näher zu erkunden. Da das Land nicht sehr groß ist und man im Grunde recht schnell in einer anderen Stadt sein kann (per Auto, aber auch mit dem Zug), konnte man sehr gut Tagesausflüge machen. So konnte ich während meiner Zeit hier Städte wie u.a. Antwerpen, Brügge, Brüssel, Gent, Mechelen und Löwen besuchen. Da Belgien ein guter Ausgangspunkt auch für Tagesauflüge bzw. Wochenendtrips nach Frankreich, Luxembourg und die Niederlande ist, konnte ich auch Städte besichtigen wie Luxembourg und Maastricht. Da meine Eltern und Aachen nicht so weit weg von Belgien sind, war ich alle zwei Wochen an den Wochenenden in Belgien, um etwas mit den anderen  Praktikanten zu unternehmen. Die anderen Praktikanten sind auch noch nach Amsterdam und Paris gereist, da ich jedoch diese Städte schon kannte, bin ich nicht mitgefahren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich diese Zeit sehr genossen habe, da ich innerhalb meines sechsmonatigen Praktikums sehr viel von den Benelux-Ländern gesehen habe. Bewerber sollten sich bewusst machen, dass fast alle Belgier Deutsch sprechen und man bei Bosch auch sehr viel Deutsch spricht. Wenn jemand sein Englisch verbessern möchte, sollte er die Benelux-Länder eher nicht in Betracht ziehen.

Unternehmen

Gegründet wurde das Werk Robert Bosch Produktie N.V. in Tienen  im Jahre 1973. Zu dieser Zeit wurden rund 300.000 Stück Wischarme pro Monat hergestellt. Heute ist es das weltgrößte Scheibenwischerwerk. Robert Bosch Produktie N.V. Tienen erzielte 2013 einen Umsatz von 197  Mio.€.  Es werden täglich 320.000 Wischblätter, 80.000 Wischarme, 27.000 Refills (Wischblätter, die als Ersatz in die Arme eingezogen werden) und 9.000 Scheinwerferreinigungsanlagen produziert. Die 1.026 Mitarbeiter montieren nicht nur die Scheibenwischer, sie stellen auf den 39 Maschinienlinien auch die Einzelteile dafür her, wie z.B. Gummi, Federschienen, Stifte oder Bügelteile. Es werden zwei Arten von Scheibenwischer hergestellt, konventionelle und gelenkfreie Scheibenwischer. Die Wischblätter werden für einen Großteil der weltweiten Automobilindustrie, dem Handel und für einen kleinen Teil der Flugzeug- und Eisenbahnindustrie in einem 3–Schicht–System mit jeweils 8 Arbeitsstunden hergestellt.

Alle Prozessschritte, angefangen bei der Herstellung des Wischgummis, über den Wischarm und das Wischblatt bis hin zum komplettierten Wischhebel werden in Eigenproduktion bedient. Die Produkte werden für einen Großteil der weltweiten Automobilindustrie, den Handel und für einen kleinen Teil der Flugzeug- und Eisenbahnindustrie hergestellt.

Ca. 50% der Produkte gehen an Erstausrüster ("Original Equipment"), wie BMW, Daimler oder VW. Die Erstausrüstung hat oberste Priorität, da die Erzeugnisse für die Just-In-Time Produktion der Automobilhersteller rechtzeitig vor Ort sein müssen. Darüber hinaus werden die Produkte von Fabrikhändlern sowie von unabhängigen Händlern ("Aftermarket") angeboten und vertrieben.

Das Werk ist organisatorisch in einen technischen und einen kaufmännischen Bereich mit jeweils eigener Geschäftsführung geteilt. Ich habe in der technischen Sparte, in der Abteilung RBBE/BPS-CIP („Bosch Production System – Continuous Improvement Process“) eingesetzt. Hauptaufgaben dieser Abteilung sind die kontinuierliche Optimierung der Produktionsprozesse, die Planung und Umsetzung neuer Fertigungskonzepte und Arbeitsweisen, sowie die Optimierung bestehender Arbeitsabläufe. Die Abteilung besteht aus ca. acht Kollegen.

Aufgabenspektrum

Die Aufgaben meines Praktikums lassen sich grob in folgende Bereiche einteilen:

  • Projektarbeit
  • Unterstützung der Kollegen

Meine durchschnittliche Arbeitszeit betrug 8,30 Stunden (8 Stunden muss man machen, Pause wird nicht bezahlt). Zu der Zeit, als ich mein Praktikum gestartet habe, bekam ich kleinere Aufgaben von einem Kollegen, dieser war generell für die Praktikanten in meiner Abteilung zuständig. Jedoch verließ er nach 2 Monaten das Werk und somit stand ich ohne tägliche Aufgaben da. Ich hatte das Glück das ich das Internet freigeschalten bekommen habe, sodass ich entweder für meine Bachelorarbeit recherchieren konnte oder halt wenn ich wie manchmal wirklich einen Tag lang nix zu tun hatte das mit Surfen ausgleichen konnte.

Eine meiner Aufgaben waren die Erstellung und Änderungen von Kostenstellenlayouts mit AutoCAD. Gerade zu dieser Zeit fanden jede Menge Umbaumaßnahmen im Betrieb statt. Viele Maschinen wurden umgestellt und einige Büros mussten in andere Gebäude umziehen. Deshalb mussten Layouts geändert und angepasst werden. Die Erstellung und Änderung von Layouts via AutoCAD war eine Tätigkeit, die ich während des gesamten Praktikums erledigte. Eine weitere Aufgabe war die Aufnahme und Messung von Taktzeiten an verschieden Maschinen und Robotern. Danach wurden die Messungen analysiert und ich konnte gemeinsam mit meinen Kollegen Verbesserungen zur Verringerung der Taktzeiten vornehmen.

Da ich hier in dem Werk meine Bachelorarbeit geschrieben habe, konnte ich innerhalb einem Projekt zur Produktionsnivellierung unterschiedlichste Bereich der Bosch Produktion kennen lernen. Ich habe mit bei der Erstellung eines Produktionsplans geholfen sowie nach der Einführung die erforderlichen Daten zur Überprüfung  gesammelt und aufbereitet. Hierfür musste ich viel Literatur lesen. Die Betreuung während des schreiben war kaum vorhanden. Nur wenn ich spezifische Fragen stellte wurde mir geholfen, jedoch zu meiner Arbeit oder generellen Formalitäten bekam ich keine Informationen. Ich musste mir alles selber erarbeiten und mir wurde weder beim erstellen der Thesis noch bei der Informationsbeschaffung geholfen. Da ich kaum tägliche Aufgaben hatte erstellte ich häufig Excel-Tabellen für das Projekt oder versuchte andere Aufgaben zu bekommen.

Nach der Hälfte meines Praktikums wurde ich Team Mitglied bei der Erstellung eines Mock-Ups für die Verbesserung der Verpackungslinie. Dies machte ich mit einem anderen Praktikanten. Oft standen wir dabei und wurden kaum in die Besprechungen einbezogen. Nur wenn sie etwas von uns benötigen.  Wir erstellten aus Karton ein 1:1 Model der Optimierung um zu testen. Dies musste jedoch immer wieder abgeändert werden und immer wenn etwas nicht so war wie die Teammitglieder es wollten, waren wir daran schuld. Häufig wurden uns keine Deadlines gesetzt.  An sich hat das Projekt Spaß gemacht da ich mit anderen Praktikanten zusammen arbeiten konnte und man nicht nur am PC sitzt. Nach dem dann das Modell stand wurden wir wieder mehr eingesetzt und konnten Verbesserungen äußern und bei den Test einen wichtigen Part übernehmen. Trotzdem gaben einem die Kollegen das Gefühl nicht vollwertig im Prozess eingebunden zu sein.

Zusätzlich bekam ich immer wieder einmalige Aufgaben von meinem Chef oder den anderen Mitarbeitern der Abteilung. Oft erstellte ich PowerPoint-Folien oder Excel Dateien, die auf Basis deren Vorgaben erstellt werden mussten. Oder musste Metaplan Tafeln von dem einen Besprechungsraum in den nächsten bringen.
Grundsätzlich würde ich den Umfang der Eigenverantwortung als mittel einstufen. In den Projekten, in denen ich mitarbeitete, wurde von mir erwartet, dass ich mich selber einarbeite und die Zusammenhänge verstehe. Es war jedoch immer ein Ansprechpartner da, jedoch kam man sich häufig verloren vor, da vieles gefordert wurde von einem, jedoch keine Erklärungen oder Hilfestellungen angeboten wurden.

Eine Herausforderung stellte natürlich die Sprachbarriere dar. Ich nahm teilweise auch an flämischsprachigen Meetings teil. Zwar bekam ich danach immer von meinen Kollegen eine Zusammenfassung, dennoch hatte ich oft das Gefühl, das mir Details fehlten. Auch wenn sich die Mitarbeiter über aktuelle Themen unterhielten, konnte ich diese oft nur oberflächlich verstehen.

Die Abteilung an sich hat viel Potenzial, jedoch arbeiten alle sehr eigenbrötlerisch, da wäre es besser, wenn sie das Potenzial eines Praktikanten erkennen würden. Jedoch muss gesagt werden, das ich denke, dass die Abteilung in 2 Jahren nicht mehr existiert, da ein Kollege bald in Rente geht und eine weitere das Unternehmen verlässt. Dann würde die Abteilung nur noch aus 3 Leuten bestehen. Ich wurde jedoch immer gelobt und habe ein sehr gutes Feedback bekommen.

Finanzielles

Als Fördermittel zur Finanzierung des Auslandsaufenthalts erhielt ich 350€  / Monat über Erasmus Placement. Praktikanten bekommen vom Arbeitgeber eine Kostenpauschale von 700 Euro im Monat.

  • Wie hoch waren ungefähr die Anreisekosten in das Gastland? 15 € mit dem Auto, mit dem Zug mit dem Gopass Aachen 7,80
  • Mussten Sie eine zusätzliche Krankenversicherung abschließen? Ja, eine Auslandsversicherung, diese habe ich beim DAAD abgeschlossen, ca. 35 €/Monat, jedoch war dort auch Unfall und Haftpflichtversicherung inklusive.

Unterkunft / Verpflegung

Von der Personalabteilung bekam ich zusätzlich zum Vertrag eine Liste mit Unterkunftsmöglichkeiten in Tienen oder Leuven zugesandt. Ich selbst habe in Tienen in einer Wohngemeinschaft mit sieben anderen Praktikanten gewohnt, Kontaktperson hierfür ist Dirk Peeters. Die WG war sehr gut ausgestattet mit Küchengeräten, Waschmaschine, Internet. Von meinem Vermieter konnte ich ein Fahrrad für 5 € im Monat mieten. Alternativ kann man sich eine Wohnung in Leuven suchen, dort beträgt der Mindestzeitraum aber meist zehn Monate.

Für mein Zimmer mit eigenem Bad habe ich 370 Euro monatlich bezahlt. Ein Zimmer mit gemeinschaftlich genutztem Bad ist ca. 40 Euro billiger.

Die Lebenshaltungskosten in Belgien sind vergleichbar mit Deutschland. Während beispielsweise Bus und Bahn deutlich günstiger sind, sind Nahrungsmittel etwas teurer. Es gab in direkter Wohnumgebung 2 Supermärkte und in ganz Tienen viele, verschiede Läden. Beim Essengehen sollte man vermeiden, Pommes zu sagen, das heißt hier Fritten!

Formalitäten vor Ort

Bei der Bank "BNP paribas fortis" am Grote Markt in Tienen bekommen Bosch-Praktikanten ein kostenloses Girokonto. Die Kontoeröffnung verläuft schnell und problemlos, da die Bank die Formalitäten für Auslandsstudenten schon routiniert abwickelt. Um zu telefonieren, gibt es vor Ort günstige Prepaid-Karten zu 10€ Guthaben von "Alditalk", mit denen auch günstig nach Deutschland telefoniert werden kann. Das Internet kostet 5 € für 400 MB. Ich habe dies aber nicht genutzt, da ich einen Internetzugang auf der Arbeit besaß und im Haus auch W-Lan vorhanden war. Bei den Tagesausflügen oder dem Feiern habe ich es auch nicht vermisst.

Freizeitgestaltung

Tienen hat ca. 30.000 Einwohner und bietet gute Freizeitmöglichkeiten. Die Gegend eignet sich gut zum Radfahren oder Laufen. Das Fitnessstudio "Fitfactory Amplitude" (www.fitfactoryamplitude.be) bietet für Bosch-Praktikanten Training und Kurse für 25 Euro monatlich an. Außerdem gibt es an der "CBE Open School" in Tienen (www.basiseducatie.be) Flämisch-Anfängerkurse, die zweimal wöchentlich am Abend stattfinden.

Die Universitätsstadt Leuven ist ca. 10 Min mit dem Zug entfernt, der jede halbe Stunde verkehrt. Hier befinden sich Geschäfte und Kaufhäuser, sowie Restaurant, Bars und sonstige Ausgehmöglichkeiten.

Ausflugsmöglichkeiten sind z.B. das nahgelegene Brüssel, aber auch Antwerpen, Gent, Lüttich oder Brügge sind in ein bis zwei Stunden erreichbar und bieten sich als Wochenendausflüge an. Die belgische Bahn bietet einen "Go-Pass" für Studenten an, mit dem jede Fahrt innerhalb Belgiens nur 5 Euro kostet. Weitere Städte, deren Besuch empfehlenswert ist, sind Maastricht, Amsterdam, Luxemburg, Lille oder Paris.

Schlussbetrachtungen - Fazit

Insgesamt würde ich meinen Auslandsaufenthalt mit 1,3 bewerten. Auch wenn manche denken, Belgien ist kein Ausland, muss ich sagen: Da nur Flämisch auf der Arbeit gesprochen wurde, hatte ich meine Hindernisse, diese Erfahrung hat mich aber gestärkt und gezeigt, das Sprachbarrieren mit viel Humor und Charme gebrochen werden können.

Besonders gefallen hat mir, dass ich einmal den Ablauf eines Projekts im Unternehmen kennen gelernt habe. Dabei ist mir die Zeitknappheit für Meetings im Vergleich zu einem Projekt an der Universität aufgefallen, da mehrere Abteilungen eingebunden sind und Zeit vor allem für die Abteilungs- oder Gruppenleiter ein sehr knappes Gut ist. Ich als Praktikantin war immer sehr abhängig von den Informationen und der Zeit der anderen und musste mich teilweise mehrere Stunden allein beschäftigen.

Letztendlich habe ich aber ein besseres Verständnis für die Abläufe der Produktion und der Arbeitsabläufe in größeren Unternehmen gewinnen können.
Gefallen haben mir aber nicht nur die wertvollen Erfahrungen bei Bosch, sondern auch die vielen neuen Freundschaften mit den anderen Praktikanten aus ganz Europa. Auch die Reisen innerhalb Belgiens, nach Luxemburg und in die Niederlande haben mich sehr bereichert und meinen Horizont erweitert.

Fotos vom Auslandssemester