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Schnittstelle zwischen Mensch und Technik

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Andrea Upmann und Prof. Dr. Thomas Ritz

Vierzehn Jahre lang arbeitete Andrea Upmann in der Automobilindustrie. "Ich war immer an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik tätig", erzählt sie. Das Endprodukt Auto soll nicht nur einfach und sicher nutzbar sein, sondern auch den Bedürfnissen, Wünschen, Eigenschaften und Fähigkeiten der Kundschaft bestmöglich entsprechen. Seit 2021 arbeitet Andrea Upmann als Professorin für Fahrzeuginterieur am Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik. Im Gespräch mit Thomas Ritz, Prorektor für Forschung, Innovation und Transfer der FH Aachen, erklärt sie, wie das eigentlich funktioniert, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, und warum diverse Teams bessere Ergebnisse erzielen.

Variabler Ergonomieprüfstand

Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die darüber entscheiden, ob Fahrer:innen sich in einem Auto wohlfühlen. Die Sicht nach außen sollte ungestört sein, alle wichtigen Bedienelemente sollten erreichbar und die Anzeigen problemlos einsehbar sein. Das alles ist in einem ersten Schritt eine Aufgabe der "Hardware", also der Karosserie und des Innenraums. Wenn Ingenieur:innen sich diesem Thema bei der Entwicklung eines Fahrzeugs widmen, kommt neben Konstruktionssoftware die Sitzkiste zum Einsatz – ein 1:1-Modell des Fahrerplatzes. Sind die wesentlichen Elemente wie Sitz, Lenkrad und Pedale vielseitig verstellbar, sprechen die Fachleute von einem variablen Ergonomieprüfstand.

Eine solche Einrichtung, der sogenannte Ergobuck, findet sich auch im Labor der Professorin im Kompetenzzentrum Mobilität der FH Aachen an der Hohenstaufenallee. Andrea Upmann demonstriert mit ihrer Kollegin Katrin Brittner, wie wichtig das Zusammenspiel der Bedienelemente ist – nicht zuletzt aus Aspekten der Fahrsicherheit. "Die Studierenden testen im Ergobuck, wie sich etwa unterschiedliche Abstände von Gas- und Bremspedal und umgebenden Bauteilen auf die Fahrhaltung auswirken", sagt Andrea Upmann. Dabei spielen auch Faktoren wie Körper- und Schuhgröße eine bedeutende Rolle.

Diversität der Menschen berücksichtigen

Im Forschungslabor lernen die Studierenden, wie man schon bei der Entwicklung des Innenraums eines Autos die Bedürfnisse der Kundschaft einfließen lassen kann. "Ich freue mich, wenn ich mein Wissen und meine Erfahrung weitergeben kann, lerne aber auch gerne von den Studierenden", sagt Andrea Upmann. Den häufig frischen und unkonventionellen Blick der Studierenden auf die Dinge schätzt sie sehr. Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, heißt nämlich auch, die Diversität der Menschen zu berücksichtigen – "den" Kunden oder "die" Kundin gibt es nicht.

Eine immer größere Rolle bei der Entwicklung von Autos und speziell von den Mensch-Maschine-Schnittstellen spielt die Software. Elektronische Anzeigen und Bedienelemente haben die klassischen Armaturen und Schalter zu einem großen Teil ersetzt – das eröffnet der Personalisierung des Produkts neue Möglichkeiten, sorgt aber auch für Herausforderungen. "Ich finde immer weniger Schalter im Fahrzeug, immer mehr große Displays. Finden sich die Nutzenden dann noch zurecht? Sind sie noch in der Lage, die Augen auf der Straße zu halten, wenn sie eine Funktion auf dem Display suchen?", fasst Andrea Upmann zusammen. Die wichtigen Informationen müssten zum richtigen Zeit-punkt ausgespielt werden, damit die Fahrer:innen ihr Fahrzeug jederzeit sicher im Verkehr bewegen können. "Die Entwicklung hin zu zahlreichen Fahrassistenzsys-temen und zum automatisierten Fahren stellt uns noch mal vor ganz neue Herausforderungen", betont die Forscherin. Gleiches gelte für die Kommunikation der Autos mit Verkehrsleitsystemen wie etwa intelligenten Kreuzungen.

 

Für das Wow-Erlebnis

Für Thomas Ritz ist die menschenorientierte Entwicklung von Software ein bekanntes Thema – seit Jahren forscht er dazu in seinem "mobile media and communication lab", einem Forschungslabor für nutzerzentrierte Software- und Innovationsentwicklung. "Veränderung ist im Engineeringprozess ein Qualitätsmerkmal geworden", sagt er. Benutzerzentrierung sei in allen Bereichen der Forschung zunehmend wichtig, um praxisorientierte Lösungen für die Herausforderungen aus Wirtschaft und Gesellschaft zu finden. In diesem Rahmen spiele auch die Wissenschaftskommunikation eine immer wichtigere Rolle.

Der Mensch soll im Mittelpunkt stehen. Bleibt nur die Frage: Wie macht man das eigentlich? "Es fängt im Entwicklungsprozess an", sagt Andrea Upmann, "man muss sich erst mal klar darüber werden: Wer ist überhaupt die Zielkundengruppe, die ich mit dem Produkt bedienen möchte?" Sie erarbeite mit ihren Studierenden zu diesem Zweck sogenannte Personas, dabei handelt es sich um fiktive Charaktere, die über detaillierte Merkmale verfügen, etwa bezüglich des Alters, der Vorlieben und der Lebensumstände. Anhand dieser Personas werden konkrete Nutzungsszenarien und Anforderungen erarbeitet, die wiederum in die Fahrzeugentwicklung einfließen. "Wir arbeiten schon in einem frühen Stadium mit Prototypen, damit wir testen und flexibel reagieren können", sagt sie. Auf diese Weise will sie gewährleisten, dass die Zielgruppe mit dem Produkt am Ende zufrieden ist. "Was für mich aber noch dazukommt, ist die User-Experience, das Nutzungserlebnis. Wir wollen Emotionen wecken und Begeisterung, ein ‚Wow‘ in den Menschen auslösen. Das Fahrzeug muss von Grund auf für den Menschen entwickelt werden."