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Gegen alle Widerstände

Ramtin Tayerani will sich in der Luft- und Raumfahrtbranche durchsetzen – auch dank des Vereins First Generation Aachen e.V.

Ramtin Tayerani hat einen Traum: Er will Astronaut werden, „einmal die Erde von außen sehen“, wie er selbst sagt. Ob das klappt, ist ungewiss. Aber der 23-Jährige hat mit seiner Entschlossenheit und seinem Mut schon vieles geschafft – warum nicht auch das.

Um seinem Traum näher zu kommen, studiert er Luft- und Raumfahrttechnik an der FH Aachen. Der Weg ins Studium war alles andere als einfach: Ramtin Tayerani stammt aus dem Iran. Im Alter von fünfzehn Jahren musste er aus seiner Heimat fliehen und fand schließlich in Nürnberg eine neue Heimat. Der Start war schwierig – Sprache, Kultur und Schulsystem waren ihm unbekannt. Aber Ramtin kämpft sich durch: "Ich bin ein sozial aktiver Mensch", sagt er, "schon in Nürnberg war ich beim Deutschen Roten Kreuz und in einer Theatergruppe." Er lernt Deutsch, findet Freunde, gewöhnt sich an die neue Lebensumgebung. Auch die Schule hilft: Nach einem Jahr in einer Integrationsschule besucht er zwei Jahre lang eine Wirtschaftsschule, die er mit der Mittleren Reife abschließt, und für weitere zwei Jahre die Fachoberschule, die er schließlich mit dem Fachabiturbeendet – und damit stößt er das Tor zu seinem Traum auf. "„Schon als Kind habe ich gerne Geräte auseinander- und wieder zusammengebaut", erzählt er. Also fasst er den Entschluss, Ingenieur zu werden. Und wagt wieder den Sprung ins Ungewisse: Er kehrt seiner neuen Heimat Nürnberg den Rücken und schreibt sich an der FH Aachen für den Studiengang Luft- und Raumfahrttechnik ein.

 

"Mein erstes Semester ist in die Coronazeit gefallen", erinnert er sich. Das Distanzlernen und der fehlende soziale Kontakt zu Lehrenden und Kommiliton:innen machen ihm zu schaffen. Und noch etwas erweist sich als Problem. Ramtin ist ein "First-Generation-Student", niemand aus seiner Familie hat vorher in Europa studiert. Die Abläufe, Gewohnheiten und Sprachregelungen sind ihm unbekannt. In dieser Zeit findet er Kontakt zum Verein First Generation Aachen, der sich das Ziel gesetzt hat, ein Netzwerk für Studierende zu schaffen, denen das deutsche akademische System fremd ist. Kern des Modells sind Patenschaften und Workshops. "Das hat mir sehr geholfen", sagt Ramtin Tayerani, "ich musste erst lernen, wie man planmäßig lernt und richtig studiert."

Nächste Station Melbourne?

"Schreib deinen Traum mit einem Stift auf – den Weg dahin mit einem Bleistift." Diesen Spruch nennt Ramtin Tayerani, wenn man mit ihm über seinen Lebensweg und seine Ziele spricht. Soll heißen: Das Ziel steht fest, der Weg dorthin soll und muss offen bleiben. Er will sich bald auf die Suche nach einem Industrieunternehmen aus der Luft- und Raumfahrtbranche begeben, bei dem er erste Industrieerfahrung sammeln und möglicherweise die Bachelorarbeit schreiben kann. Der nächste Schritt soll ihn nach Melbourne führen – die FH Aachen bietet gemeinsam mit dem Royal Melbourne Institute of Technology einen Dual-Degree-Master in Aerospace Engineering an.

Ramtin Tayerani will mit seiner Geschichte andere Menschen inspirieren, auch in schwierigen Situationen weiterzumachen und nicht aufzugeben. "Es liegt in unserer Macht, das zu erreichen, was wir vorhaben", sagt er. Er habe die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll sei, Hilfe zu suchen: "Es gibt immer hilfreiche Menschen, die einen gerne unterstützen."

Erst einmal das Studium abschließen

Ob er in ferner Zukunft wirklich die Erde verlassen und als Astronaut arbeiten wird, ist ungewiss. Generell stellen seine iranische Staatsangehörigkeit und der unklare Aufenthaltsstatus ein Problem für ihn dar. Eine Karriere etwa in der Rüstungsindustrie dürfte für ihn kaum möglich sein – auch wenn er selbst, wie er sagt, keinerlei Kontakt mehr in seine alte Heimat hat. Aber "das sind die Probleme von morgen", sagt Ramtin Tayerani, erst einmal will er sein Studium erfolgreich beenden – gegen alle Widerstände.

First Generation Aachen e.V.

Der Verein First Generation Aachen e.V. will ein Netzwerk für Studierende schaffen, deren Eltern keinen akademischen Hintergrund besitzen, sogenannte First-Generation-Studierende. Ein Patenschaftsprogramm gibt ihnen die Möglichkeit, sich schon früh von erfahrene Berufstätigen, wie etwa Alumni der FH oder RWTH Aachen, unterstützen zu lassen. Zudem profitieren sie von Kooperationen mit anderen Vereinen und durch Workshops, die der Verein zu Themen wie Zeitmanagement, Lernmethoden und Karriereplanung anbietet. Mehr Infos unter: firstgen.de