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Eiszecke

Zwischen Eis und Schnee, hoch oben auf dem Langenferner-Gletscher führte ein Team aus einem Professor und Studierenden für das Projekt „IceLander“ erstmalig einen Feldtest durch

Für eine kleine Gruppe von Studierenden des Fachbereichs Luft- und Raumfahrttechnik ging es hoch hinaus, um genau zu sein auf über 3.000 Meter über Meereshöhe. Mehrere Stunden dauerte der beschwerliche Aufstieg zum Langenferner-Gletscher in Norditalien. Was die fünf Student:innen und Projektleiter Prof. Dr. Bernd Dachwald hier her führte? Es ist das Gletschereis hoch oben am Ortlermassiv. Fast ein Jahr haben die Vorbereitungen für den Feldversuch des 2021 initiierten Projektes „IceLander“ gedauert, nun konnten die Studierenden ihre Apparatur namens „IceTick“ erstmals unter realen Bedingungen testen.

Zecken und Maulwürfe

Die IceTick (Eiszecke) ist eine Landeeinheit mit einer Eisschraubenkonstruktion, die mithilfe eines Octocopters, einer Drohne mit acht Rotoren, auf Eisflächen abgesetzt wird und sich dort eigenständig einbohrt. Konzipiert und gebaut wurde die IceTick mit wesentlicher Beteiligung einer Gruppe Studierender des Fachbereichs Luft- und Raumfahrttechnik, unter der Projektleitung von Prof. Dachwald und Prof. Dr. Philipp Hartmann, zusammen mit dem studentischen Projektmanager Marius Ronshausen. Die vielen Komponenten, etwa zur Kommunikation, Navigation oder Energieversorgung, entstanden unter anderem in den Abschluss- und Projektarbeiten der Beteiligten. Ziel des Projektes ist es, dass mithilfe der Apparatur Nutzlasten auf Gletscher oder Eisberge gebracht werden können, und sie dort so zu befestigen, dass die Verankerung trotz abschmelzender Oberfläche aufrechterhalten werden kann. So können Mikroklima- und Wettermessungen an weit abgeschiedenen Orten durchgeführt werden, die für Forschende nur schwer oder unter Gefahr zugänglich wären. Zum Beispiel könnte die IceTick in Zukunft bei der Verfolgung und Vermessung von Eisbergen und Meereis in arktischen Gewässern eingesetzt werden und somit für die Schifffahrt von Nutzen sein.

In einem vergangenen Projekt wurde bereits der „IceMole" (Eismaulwurf) von Studierenden des gleichen Fachbereichs, ebenfalls unter der Leitung von Prof. Dr. Bernd Dachwald in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Gerhard Artmann vom Institut für Bioengineering der FH Aachen, entwickelt. Diese kombinierte Bohr- und Einschmelzsonde kann sich durch mehrere Eisschichten schmelzen und könnte irgendwann bei der Erforschung der Polkappen des Mars und der Eismonde in unserem Sonnensystem zum Einsatz kommen. Unter der Federführung der FH Aachen entwickelte sich der IceMole zu einem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geförderten Verbundprojekt, welches in der Antarktis erstmalig aus der Tiefe eine saubere Probe von Wasservorkommen unter einem Gletscher nahm.

 

Von guter Vorbereitung und schlechtem Wetter

Ein elektrisches System in einer nasskalten Umgebung zu testen stellt eine komplexe Herausforderung dar. Hinzu kommt die begrenzte Zeit, mit der die Studierenden für ihre Tests auf dem Berg haushalten müssen. Eine gute Vorbereitung ist daher unabdingbar. Gemäß dem Motto „Alles, was nicht vorher getestet wurde, funktioniert nicht“, wurden im Vorfeld die Komponenten genaustens überprüft, Testpläne und Problemlösungen entworfen und Notszenarien besprochen.

Doch trotz jeder guten Vorbereitung sollte das Wetter nicht mitspielen. „Es war dann doch ein größeres Abenteuer als erwartet“, erinnert sich Prof. Dachwald zurück. Heftige Unwetter im Tal und 30 Zentimeter Neuschnee am Berg machten die Expedition zum Gletscher zu einem aufregenden Unterfangen und führten zu notwenigen Improvisationen. Der geplante Aufstieg zur Hütte Rifugio de Casati verzögerte sich um einen Tag, da Schnee, Nebel und ansteigende Gebirgsflüsse den Weg unpassierbar machten. Die Lage verbesserte sich zum Glück einen Tag später, sodass zusammen mit Bergführer Stefano die erste Etappe genommen werden konnte. Mit Klettergurten, Seilen und Steigeisen ausgestattet, wurden die Teilnehmenden auf einer mehrstündigen Gletschertour in die Gefahren und Sicherheitsvorkehrungen beim Wandern am Berg eingewiesen. Am darauffolgenden Tag konnten endlich die ersten Tests durchgeführt werden, nachdem das Gletschereis vom Neuschnee befreit wurde. Trotz einer unerwartet porösen Eisdecke und starken böigen Winden gelangen die Versuche, bei denen das Zusammenspiel der IceTick und der Drohne erstmalig unter realen Umwelteinflüssen getestet wurden.    

Auch wenn das widrige Wetter das Team zu einigen Improvisationen zwang, so sind alle Beteiligten äußerst zufrieden mit den Ergebnissen aus den Testversuchen und ihrer ersten Forschungsexpedition. „Es war anstrengend und nervenaufreibend, aber auch ein tolles Erlebnis, umgeben von einer beeindruckenden Natur“, blickt Sven Nebendahl zurück. Als Ideentank bietet das Projekt den Studierenden die Chance, sich technisch praxisnah und kreativ austoben zu können. Dabei sammeln sie wertvolle Erfahrungswerte in der Umsetzung eines Forschungsprojekts unter realen Gegebenheiten. Nach dem gelungenen Feldversuch gilt es nun, die Erfahrungen vom Langenferner-Gletscher in eine optimierte Version der IceTick fließen zu lassen.