Praktikum in Brasilien, 2015-2016

Auf einen Blick

Wo, wer, wann

  • Studiengang  an der FH Aachen: Maschinenbau (B.Eng.), Fachbereich 8
  • Autor des Erfahrungsberichts: Thilo B.
  • Beginn und Ende des Auslandsaufenthalts: 23.07.15-18.01.2016
  • Das Auslandssemester wurde durchgeführt im:
    Mobilitätsfenster, 5. Fachsemester
  • Bei der Firma: Bosch
  • Firmenstandort, Land: Curitiba, Bundestaat Paraná, Brasilien
  • Homepage der Firma: https://www.bosch.com.br/en/
  • Name des Betreuers an der FH: Prof. Dr.-Ing. Walter Reichert

Praktikum im Mobilitätsfenster

Vorbereitung und Organisation des Praktikums im Mobilitätsfenster

  • Wann haben Sie mit der Organisation begonnen? Januar 2015.
  • Wie erfolgte die Kontaktaufnahme zum Arbeitgeber? Durch eine befreundete Familie meiner Familie, die nahe dem Standort ansässig ist. Die Kontaktaufnahme erfolgte durch eine Person, die für das Unternehmen tätig ist.
  • Wie lange dauerte das Bewerbungsverfahren und welche Unterlagen wurden benötigt? Mein Bewerbungsverfahren dauerte über 5 Monate. In Brasilien dürfen Praktika nur an inländische Studenten vergeben werden. Daher ist es notwendig, sich neben dem Praktikumsplatz auch um eine Einschreibung in einer Universität in Brasilien zu kümmern.
    Da es an allen Universitäten in Brasilien Anwesenheitspflicht gibt, sollte die Distanz zwischen Universität und der Praktikumsstelle nicht all zu groß sein. (Der Arbeitsvertrag würde bei nicht Einhaltung der Anwesenheitspflicht in der Universität sofort gekündigt.) Aufgrund dessen, dass es für (fast) alle Bewerber um einen Studienplatz in Brasilien einen Einstellungstest gibt, hat es sich für mich als sehr schwierig erwiesen, einen Studienplatz zu finden. Diese Suche wurde zunehmend erschwert, da ich vor meinem Aufenthalt noch kein Portugiesisch sprechen konnte. Letztlich hat mich jedoch die FAE University Curitiba, die auch eine Partneruniversität der FH Münster ist, auch ohne Einstiegstest aufgenommen.
    Gefördert durch die brasilianische Mentalität, kann die Bearbeitung von Dokumenten in Ämtern viel Zeit in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund sollte man sich gleichzeitig um einen Praktikumsplatz und die Immatrikulation kümmern. Dabei ist zu beachten, dass das Studentenvisum nur mit der Zusage einer Universität ausgestellt wird. Außerdem  ist es vorteilhaft, dem Arbeitgeber bereits eine Einschreibung vorweisen zu können. Jedoch gibt es auch noch einen alternativen Weg. Die staatlichen Universitäten nehmen Studenten auch ohne Einstiegstest auf, falls sie schon über einen Arbeitsvertrag verfügen. Um eine zeitnahe Bearbeitung der Bewerbungsunterlagen zu gewährleisten, sollte bei den verschiedenen Stellen öfter nachgehakt werden. In meinem Fall war es sehr förderlich, eine vertraute Person vor Ort zu haben, die durch viel Engagement erreichte, dass meine Formalitäten rechtzeitig erledigt wurden.
  • Benötigten Sie ein Visum und wenn ja, mussten Sie sich das selbst organisieren oder hat es der Arbeitgeber für Sie beantragt? Ich benötigte ein Studentenvisum, um das ich mich selbst kümmern musste. Das Visum war beim Generalkonsulat von Brasilien zu beantragen. Hierzu musste u. a. eine finanzielle Haftung für meinen Auslandsaufenthalt von meinen Eltern unterschrieben werden. Diese musste zudem von einem von der brasilianischen Botschaft anerkannten Notar beglaubigt werden (Kostenaufwand ca. 100€).
  • Nützliche Tipps oder weiterführende Infos zur Vorbereitung: Da die FAE University eine Private Universität ist, musste ich ca. 600€ Semestergebühren zahlen. Außerdem wurden für die Einschreibungen folgende Dokumente gefordert:
    - Empfehlungsschreiben der FH Aachen
    - Notenspiegel und Hochschulgeschichte, die vom Studiensekretariat der FH Aachen (Bayerallee), vom Regierungsbezirk Köln und dem Generalkonsulat in Frankfurt beglaubigt werden mussten.
    - Schulabschlusszeugnis, das vom Regierungsbezirk und dem Generalkonsulat in Frankfurt beglaubigt werden musste. (Kostenaufwand ca. 250€).
    - Außerdem mussten alle Dokumente noch mit Beglaubigung ins Portugiesische übersetzt werden. Bei mir hat dies die FAE University für ca. 50€ selbst übernommen.

Finanzielles

  • Erhielten Sie Fördermittel zur Finanzierung des Auslandsaufenthalts? Eine Förderung durch das Auslandsbafög mit Kostenübernahme der Reisekosten und der Auslandskrankenversicherung ist möglich.
  • Erhielten Sie eine Entlohnung vom Arbeitgeber? Neben einer Entlohnung von 2000R$, konnte ich zudem die Kantine bei Bosch kostenfrei zu nutzen.
  • Wie hoch waren ungefähr die Anreisekosten in das Gastland? Meine Reiskosten für den Hin- und Rückweg lagen bei 1000€. Jedoch ist es durchaus möglich führzeitig Tickets für die Hälfte des Preises zu finden.
  • Wie hoch sind ungefähr die Lebens- und Wohnkosten im Gastland? Ähnlich wie in Deutschland.
  • Mussten Sie eine zusätzliche Krankenversicherung abschließen? Eine Krankenversicherung war für das Visum und den Arbeitgeber erforderlich. Ich habe eine Krankenauslandsversicherung bei der Hanse Merkur Versicherung abgeschlossen. Diese kostete täglich 1,05€. Unkompliziert!
  • Sind weitere Versicherungen notwendig? Nein.

Vor Ort

  • Welche Formalitäten sind nach der Ankunft zu erledigen? Nach der Ankunft war eine Registrierung bei der brasilianischen Bundespolizei nötig. Dies ist mit Kosten von ca. 150€ und Wartezeiten verbunden. In meinem Fall engagierte Bosch ein Unternehmen, das sich in meinem Auftrag um die Registrierung kümmerte (die gesamten Kosten hierfür hat Bosch übernommen).
  • Wie gestaltete sich die Wohnungssuche? Da ich bei einer befreundeten Familie gewohnte habe, entfiel dies bei mir.
  • Wo sollte man am besten wohnen? Man sollte sich im Vorfeld informieren, in welcher Wohngegend es sicher ist.
  • Wie sind die Einkaufsmöglichkeiten vor Ort? Ähnlich wie in Deutschland, aber auch sonntags geöffnet.
  • Was ist billig bzw. teuer im Gastland? Günstiger sind Benzin und Fleisch. Teuer wird es bei Touristenaktivitäten.
  • Wie weit wohnten Sie von der Firma entfernt und wie gestaltete sich der tägliche Weg zur Arbeitsstelle? In Brasilien sind Distanzen relativ. So wohnte ich ca. 10 km von Bosch entfernt, konnte es jedoch innerhalb von 15 Minuten mit dem Auto erreichen. Während in der Innenstadt wohnende Mitarbeiter durchaus bis zu einer Stunde im Stau stehen können.
    In Brasilien ist es üblich, dass große Firmen wie Bosch ein Transferservice zum Arbeitsplatz und nach Hause für ihre Mitarbeiter anbieten. Diesen Service hätte auch ich nutzen können.
  • Was können Sie über den Firmenstandort sagen? Welche Freizeitmöglichkeiten / Ausflugsmöglichkeiten / touristische Attraktionen gibt es vor Ort? Curitiba ist eine der sichersten und am europäischsten geprägten Großstädte Brasiliens. Sie hat ca. 2 Millionen Einwohner und ist somit die achtgrößte Stadt des Landes. Die Wochenenden verbringen die Curitibaner gerne an der 80 km entfernten Küste.
    Die Stadt verfügt neben einem Flughafen auch über zahlreiche große Parks, mehrere Einkaufscentren und einem guten Nachtleben.
  • Gibt es besondere Gebräuche/Sitten bei den Einheimischen und was ist ein absolutes Tabu? Verschlossenheit ist tabu. Brasilianer sind sehr offen und gehen auf die Leute zu. Man sollte sich anpassen und ihre Freundlichkeit erwidern. Erstaunlicherweise funktioniert das brasilianische Leben trotz absoluter Unpünktlichkeit und erheblicher Unzuverlässigkeit ausgesprochen gut.

Über den Arbeitgeber

  • Beschreiben Sie kurz das Unternehmen! Bei Bosch in Curitiba wird fast ausschließlich produziert. Der Standort bildet den Hauptsitz von Robert Bosch Lateinamerika für die Unternehmenssparte Diesel Systems. Das Unternehmen war neben der Hilfe zur Registrierung auch bei anderen Punkten sehr engagiert. Zum Beispiel hat Bosch mir eine beglaubigte Übersetzung meines Führerscheins besorgt und mir angeboten, mich am Flughafen sowie an meinem ersten Arbeitstag von Zuhause abzuholen.
  • In welcher Abteilung arbeiteten Sie? Qualitätsmanagementabteilung
  • Thema Ihrer Projektarbeit bzw. Schwerpunkt Ihres Praktikums:
    1.    Projekt: Verbesserung des Rückholprozesses von beanstandeten Produkten aus dem Ausland
    2.    Projekt: Einführung einer automatisierten Berichterstattung für Beanstandungen für den 0-km Absatzbereich
  • Wurde das Thema der Projektarbeit vom Unternehmen vorgegeben oder konnten Sie es selber wählen? Die Themen wurden vom Unternehmen vorgegeben.
  • Wie viele Stunden betrug Ihre durchschnittliche Arbeitszeit? Ein 6-Stundentag ist in Brasilien für alle Studenten vorgeschrieben, da die Studenten abends zur Uni gehen müssen.
  • Sonstige Anmerkungen zum Praktikum: Die Kommunikation im Praktikum fand hauptsächlich auf Englisch statt. Zwar gab es im Unternehmen viele Ingenieure und Praktikanten, die auch Deutsch sprachen, jedoch bevorzugten es die meisten von denen, auf Englisch mit mir zu kommunizieren.
     

Schlussbetrachtungen - Fazit

  • Wie bewerten Sie Ihren Auslandsaufenthalt insgesamt? Als sehr, sehr bereichernd und jedem zu Empfehlen. Gerade das Kennenlernen der absolut gegensätzlichen Mentalität zu uns Deutschen sowohl im Privaten als auch im beruflichen Bereich empfand ich für mich als sehr wertvolle Erfahrung.
  • Was waren die Höhen- und Tiefpunkte des Aufenthalts? Höhepunkte waren unter anderem die unzähligen Reisen, durch die ich viel vom Land sehen konnte und viele neue Freundschaften knüpfen konnte. Nicht so toll war, dass ich auch trotz eines dreimonatigen Sprachkurses meine Portugiesischkenntnisse nicht wesentlich verbessern konnte. Das lag vor allem daran, dass die Kommunikation hauptsächlich auf Deutsch und Englisch stattfand.
  • Was wird unvergessen bleiben? Unvergesslich wird mir die Gastfreundschaft und die Begeisterung der Brasilianer Deutschen gegenüber bleiben.
  • Welchen Rat möchten Sie anderen Studierenden Ihres Studiengangs mit auf den Weg geben, die sich für ein Auslandssemester in diesesm Land entscheiden? Gebt bei dem Bewerbungsverfahren nicht auf. Das Bewerbungsverfahren ist zwar langwierig und nervenaufreibend, das Durchhalten macht sich aber bereits nach wenigen Tagen in Brasilien bezahlt. Seid euch über den großen Bewerbungsaufwand bewusst, der fast nicht alleine zu bewältigen ist. Ich hatte mit meiner Mutter und der bekannten Person in Brasilien zwei Personen, die sehr viel Zeit und Energie für mich investiert haben. Trotzdem musste ich letztlich in der Vorbereitungszeit Abstriche bei meinen Studienleistungen hinnehmen.

Fotos vom Auslandssemester