Forschung
Längsbinderkirchen

Seibert Stahlbau

Seibert Stahlbau

A. Fissabre
FORSCHUNGSPROJEKT
Längsbinderkirchen und versteckte Stahlkonstruktionen im Sakralbau der Hochmoderne. Grundlagenforschung zur Erfassung und zu denkmalpflegerischen Strategien.
Ziel des Projektes ist die Erforschung der zwischen 1928 und 1938 sowie in der Nachkriegszeit im deutschsprachigen Raum als versteckte Stahlkonstruktionen errichteten Längsbinderkirchen und Sakralbauten. Charakteristika der Längsbinderkirche sind zum einen das Abtragen der Lasten des Obergadens durch je einen Stahlträger in Längsrichtung der Kirche (Längsbinder) und der dadurch ermöglichte stützenfreie basilikale Raum, zum anderen das versteckte Tragwerk aus Stahl, das hinter Verkleidungen unsichtbar bleibt. Etwa zeitgleich mit dem Aufkommen der Raumidee von Längsbinderkirchen entstanden auch Kirchenbauten mit Stahlkonstruktionen in anderen Raumformen, etwa Basiliken mit Stützen oder Saalkirchen. Allen gemein ist die besondere Konstruktionsweise einer bewusst hinter Verkleidungen verborgenen Stahlskelettkonstruktion, die die Umsetzung der neuen Raum- und Liturgieformen eines christozentrischen Kirchenbaus im Kontext katholischer Bestrebungen zur Liturgiereform ermöglichte. Ein Großteil der bislang circa 50 erfassten Kirchenbauten existiert heute noch.
Ihre Konstruktionsweise ist fast nie erwähnt und den Denkmalpflegebehörden oft nicht bekannt. Zu erwarten ist ein wesentlich umfangreicherer Bestand, der ein vergessenes und zugleich gefährdetes internationales Kulturerbe darstellt. Das geplante Forschungsvorhaben umfasst einen zeitlich und typologisch singulären, gut eingrenzbaren Baubestand, den eine Alleinstellung im Kulturerbe auszeichnet. Erstmals soll der Bestand in seiner Gesamtheit erfasst und die an der Planung beteiligten Architekten und Bauingenieure sowie der Kontext in der Stahlindustrie beleuchtet werden, um auf Grundlage von Bewertungen dieser Bauten neuartige Denkmalbegründungen mit Fokus auf das konstruktive Kulturerbe zu formulieren. Durch die Erfassung von vier Schlüsselbauten mittels digitaler Bauaufnahmen und zerstörungsfreier Untersuchungen ihrer Konstruktionen sollen wertvolle Erkenntnisse zu Architektur und Konstruktion gewonnen werden.
Als Transfer von der Grundlagenforschung in die praktische Denkmalpflege schließen sich hieran die Erfassung der Schäden und die Entwicklung von Strategien zur Erhaltung, Ertüchtigung sowie architektonischen und konstruktiven Weiterentwicklung der Bauten an. Durch den systematischen Vergleich der Bauten und ihrer Konstruktionen eröffnet das Forschungsprojekt mit seinem interdisziplinären Projektteam aus Architekt*innen und Bauingenieur*innen eine völlig neuartige Perspektive auf die Entwicklung des Sakralbaus der Hochmoderne und das Kulturerbe Konstruktion.
Die Untersuchung dieser im Kirchenbau der Moderne und im Kontext damaliger Ideen zur Liturgiereform verbreiteten, heute aber kaum bekannten Konstruktionsweise stellt ein Desiderat der Grundlagenforschung dar, das, vor dem Hintergrund des hohen Umnutzungsdrucks, der auf vielen Sakralbauten lastet, auch von hoher praktischer denkmalpflegerischer Relevanz ist.
Prof. Dr.-Ing. Anke Fissabre, FH Aachen / Prof. Dr.-Ing. Evelin Rottke, FH Aachen
Prof. Dr.-Ing. Uta Pottgiesser, TH OWL / Prof. Dr. sc. techn. Klaus Thiele, TU Braunschweig
Weiterführende Links:
https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/525823438?context=projekt&task=showDetail&id=525823438&
https://kulturerbe-konstruktion.de/spp-2255-teilprojekt/versteckte-stahlkonstruktionen-im-sakralbau/
Unter Mitwirkung von Anke Fissabre und Sebastian Hoyer vom Teilprojekt "Versteckte Stahlkonstruktionen im Sakralbau” berichtete die Saarbrücker Zeitung am 17. März 2025 über das einzigartige Forschungsprojekt an der denkmalgeschützten Kirche.
https://kulturerbe-konstruktion.de/news-mit-scanner-und-radar-in-der-kirche/

Der Turm mit zehn Spornen

FORSCHUNGSPROJEKT
Ein in Monthoiron gebauter Entwurf von Leonardo Da Vinci?
Der Turm von Monthoiron, erbaut in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in einem kleinen französischen Dorf zwischen Tours und Poitiers, wirft viele bauhistorische Fragen auf, die im Rahmen der ersten Exkursionskampagne mit Studierenden im September 2015 bearbeitet wurden und Inhalt eines zukünftigen Forschungsprojektes darstellen. Außergewöhnlich sind die äußerst repräsentative Ausstattung des Turmes im Inneren - mit einem ungewöhnlich großen, überkuppelten Raum mit Kamin - sowie sein äußeres Erscheinungsbild - mit umlaufenden, ehemals bis ins Erdreich führenden spornartigen Verstärkungen. Diese sind im gebauten Bestand zwar vermutlich einzigartig, jedoch sind sie in einer Skizze Leonardo da Vincis im Codex Madrid II in ähnlicher Weise wieder zu finden. Obgleich die Verstärkungen auf Verteidigungsfunktionen hinweisen, steht der Turm ohne erkennbaren oder belegbaren militärischen Nutzen im Tal des Flusses Ozon und im Kontext eines weitreichenden Wasserkanalsystems.
Wozu diente der Turm zu seiner Erbauungszeit? Stand er im baulichen Zusammenhang mit anderen Gebäudeteilen des heute noch in unmittelbarer Nähe stehenden Schlosses? Lag dem Turm ein Entwurf Leonardo da Vincis zu Grunde, der nicht weit entfernt, in Amboise, seine letzten Lebensjahre verbrachte und im Dienste des französischen Königs Franz I. Schlossbauten entwarf?
In Kooperation mit dem Fachgebiet der Vermessungskunde der Bauingenieur*innen untersuchten wir diese Fragen vor Ort, indem wir zahlreiche Renaissanceschlösser besichtigten und in ihrer inneren Organisation verglichen, die Umgebung des Schlosses mit dem Wassersystem kartierten und den Turm mit neuartiger 3-D-Vermessungstechnik, Tachymeter und von Hand aufnahmen.
Forschungsprojekt gefördert durch die K2 Kommission der FH Aachen (2015).
Ein Turm mit einer Geschichte - FH Aachen Presseabteilung - 02.11.2015
Turm mit Geschichte: Spurensuche mit modernen Forschungsmethoden - FH Aachen Presseabteilung - 02.11.2015
Publikationen:
Der Turm mit zehn Spornen - Ein in Monthoiron gebauter Entwurf von Leonardo Da Vinci? - INSITU: Zeitschrift für Architekturgeschichte. (2018), H. 1, S. 65-82






Exkursion 2024
Im Rahmen der Exkursionswoche unseres Fachbereichs nahm eine Gruppe von Bachelorstudierenden an einer Bauaufnahme-Kampagne in Monthoiron, Frankreich teil. Nachdem bereits in den letzten Jahren der spektakuläre Turm von Monthoiron aus dem 16. Jahrhundert erforscht worden war, untersuchten die Studierenden diesmal die dazugehörigen Wirtschaftsbauten des Schlosses. Die Bauten wurden zuerst von Bewuchs befreit und dann mit Laserscanner und Drohne aufgenommen. Außerdem besichtigten die Studierenden zahlreiche andere Schlösser in der Region.

Photo NR-CP
Jüdischer Friedhof in Aachen

DOKUMENTATIONS- UND FORSCHUNGSPROJEKT
Jüdischer Friedhof an der Lütticher Straße in Aachen
Der noch heute genutzte alte jüdische Friedhof in Aachen ist ein stadthistorisch sehr bedeutendes Zeugnis und Baudenkmal. Seine baulichen Anlagen bestehen aus der Trauerhalle, dem ehemaligen Wohnhaus für den Friedhofswärter und der Umfassungsmauer mit Toreingang. Die ältesten Grabmäler stammen noch aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neben der historischen Bedeutung der hier beerdigten jüdischen Familien oder Einzelpersonen ist auch die ikonografische und formale Gestaltung der teilweise sehr repräsentativen Grabmäler von Relevanz. Sie reicht vom Historismus über den Jugendstil bis zur klassischen Moderne.
Das Inventarisations- und Forschungsprojekt umfasst die Bauaufnahme und -untersuchung der Friedhofsbauten, die fotografische Erfassung, Beschreibung und Kartierung der Grabmäler sowie ihre visuelle Dokumentation in Form von maßstäblichen 3D-Modellen. Zudem werden der Zustand und die Schäden zur Vorbereitung denkmalpflegerischer Maßnahmen festgehalten. Viele kaum noch lesbare Inschriften von Grabmälern können auf Grundlage der digitalen Erfassung visuell rekonstruiert werden. Die Erfassung in einer GIS-basierten Datenbank bildet die Voraussetzung für die interdisziplinäre Verknüpfung historisch-biografischer, epigrafischer, kunsthistorischer oder denkmalpflegerischer Fragestellungen.
Das Projekt ist abgeschlossen und wurde durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW finanziell gefördert.

In Zusammenarbeit mit dem Familienbuch Euregio unter der Leitung von Iris Gedig entstand ein virtueller Rundgang über den Friedhof.
Die Ergebnisse der Forschungen wurden in einer Monografie zum Friedhof publiziert, die von vielen weiteren Autorinnen und Autoren bearbeitete Fachbeiträge und über 100 Biografien enthält:
Dux, H. (Hrsg.): Der jüdische Friedhof Aachen Lütticher Straße, Aachen 2022.
514 Seiten – Fachbeiträge, vollständige Friedhofsbelegung und über 100 Biografien.
ISBN 978-3-87519-266-7
Zusätzlich erschien:
Fissabre, Anke; Wetter, Verena (2024): Die farbige Gestaltung der Trauerhalle des Malers Max Lazarus auf dem jüdischen Friedhof an der Lütticher Straße in Aachen.
In: Denkmalpflege im Rheinland. Münster: Aschendorff. 41 (2024), H. 3, S. 27–35.
ISSN 0177-2619 | Online-Zugriff

Style rocaille
FORSCHUNGSPROJEKT
DIE ÜBERTRAGUNG DES STYLE ROCAILLE VOM SCHIFFBAU AUF DIE ARCHITEKTUR.
Genese und Gestaltungsprinzipien des frühen Rokoko in den französischen bâtiments particuliers, 1715-1735
Laufzeit bis 2021
Prof. Dr.-Ing. Anke Fissabre
Dr. phil. Dr.-Ing. Thomas Wilke
Fachbereich Architektur
Fachgebiet Geschichte und Theorie
Das von der DFG bis 2021 geförderte Forschungsprojekt untersucht die Übertragungswege des Style rocaille vom Schiffbau auf die Architektur des frühen Rokoko in Frankreich.
Um die fachlich-personellen und motivischen Beziehungen zwischen der barocken Schiffsarchitektur und den frühen Rokoko-Entwürfen in Frankreich aufzuzeigen, werden die Biografie und der zeichnerische Nachlass des Künstlers François-Antoine Vassé dokumentiert.
Vassé entwarf Schiffsdekorationen für das Arsenal von Toulon und die französische Marine sowie Innendekorationen großer Architekturprojekte für Auftraggeber aus Marinekreisen, wie etwa den Admiral von Frankreich. In seinen Zeichnungen führt Vassé das für den style rocaille typische Muschelmotiv in asymmetrischer architektonischer Fassung in die Baukunst ein.
Bauuntersuchungen an Schlüsselbauten des französischen Rokoko sollen neben der motivischen auch eine Übertragung der zeichnerischen Entwurfsverfahren und der handwerklichen Herstellungstechniken aus dem Schiffbau auf die Architektur nachweisen. Hierdurch eröffnet das Forschungsprojekt eine völlig neuartige Perspektive auf eine Neubegründung der Entstehung des Rokokostils.

A. Fissabre


Studientag am 22.11.2019
FH Aachen │ Université des sciences appliquées
22. November 2019
Gefördert durch die DFG und die FH Aachen
Vorträge │ conférences
Uta Coburger, Mannheim – Die Kabinettsbibliothek der Kurfürstin Elisabeth Auguste im Schloss Mannheim
Michaël Decrossas, Paris – Le rôle de l'estampe dans l’émergence des ornements rocailles
Oliver Domeisen, London – Rocaille as a Line of Beauty – Ephemeral Caprice or Eternal Metamorph?
Anke Fissabre, Aachen – Einführung │ Introduction und Projektzwischenbericht │ rapport d'étape du projet
Micaela Kranich, Stuttgart – Rocaille und Bild. Die bedeutungsvolle Wech-selbeziehung zwischen Ornament und Gemälde am Beispiel einiger deutscher Schlossräume des 18. Jahrhunderts
Carl Magnusson, Lausanne – La première moitié du XVIIIe siècle est-elle la période des rocailles et des ailes de chauve-souris ? Enjeux d’une construction historiographique
Markus Neuwirth, Innsbruck – Gefährliche Felsen, gefährliche Meeresschnecken
Jan Pieper, Aachen – Das barocke Schiffsheck als Architekturprospekt (Arbeitstitel)
Nicolas Trotin, Paris – Le Rocaille à l’église. L’ornement au service du décor liturgique dans les églises haut-normandes (diocèses de Rouen, d’Évreux et de Lisieux) au XVIIIe siècle
Thomas Wilke, Aachen – Einführung │ Introduction und Projektzwischenbericht │ rapport d'étape du projet
Organisation │ organisation
Anke Fissabre, Thomas Wilke
FH Aachen, Fachbereich 1 Architektur
Lehrgebiet Geschichte und Theorie der Architektur
Rückfragen │ demandes d’information
Sakralität und Moderne



Gefördert durch:

AUSSTELLUNG 2019
BAUHAUS IM WESTEN? - Die Ära Rudolf Schwarz an der Aachener Kunstgewerbeschule 1927-1934
Im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums der Gründung des Bauhauses in Weimar 1919 dokumentiert die Ausstellung erstmalig auf der Grundlage zahlreicher Originalquellen und Archivdokumente die Aachener Kunstgewerbeschule, die unter der Leitung von Rudolf Schwarz zwischen 1927 und 1934 insbesondere auf dem Gebiet der sakralen Kunst und Architektur herausragende Werke hervorbrachte. Am authentischen Ort ihres bedeutendsten Gesamtkunstwerkes, der Kirche St. Fronleichnam in Aachen, werden anhand zahlreicher Reproduktionen von Originalfotografien und -texten erstmals die programmatischen Ideen der Schule, ihre Arbeitsweisen, Lehrer*innen, Schüler*innen und Werke vorgestellt. Ähnlich wie die Kölner Werkschulen stand die Schule nicht nur in der Tradition der kunstgewerblichen Handwerksausbildung, sondern vertrat in dieser Phase äußerst innovative Gestaltungsideen und Ausbildungsmethoden. Durch die Bauhaus-Moderne beeinflusst beschritt die Schule weit westlich von Dessau dennoch eigene Wege - gerade in Abgrenzung zum Bauhaus - und beeinflusste wesentlich die Entwicklung der "Sakralen Moderne", die im Bauhaus nicht vertreten war. Einen besonderen Fokus legt die Ausstellung auf den Architekten und Bauhaus-Kritiker Rudolf Schwarz: auf die Frage nach dem Aachener kulturpolitischen Umfeld, das ihn zum Direktor nach Aachen berief, auf die Umstände seiner Entlassung und die seiner Mitarbeiter sowie auf seine explizite Abgrenzung von den funktionalistischen Gestaltungsideen des Bauhauses. Zudem werden die Aachener Frühwerke von Rudolf Schwarz in Zusammenarbeit mit Hans Schwippert und anderen Mitarbeitern anschaulich in Architekturmodellen präsentiert. Die Ausstellung ist im Rahmen der LVR-Veranstaltungen "Bauhaus 100 im Westen" zeitgleich mit einer Ausstellung zum Architekten Otto Bartning im Freilichtmuseum Kommern geplant.
Die Ausstellung wurde zunächst vom 8. September bis zum 6. Oktober 2019 in der Kirche St. Fronleichnam aufgebaut. Danach wurde sie vom 9. Oktober bis zum 29. November 2019 in der Katholischen Hochschule (KatHO) gezeigt.
Dr. Bettina Frindt, Prof. Dr. Anke Fissabre, FH Aachen
Weitere Informationen finden Sie hier.